Während Süddeutschland einen dauerhaften Zuzug erlebt, gehen dem Osten die Menschen aus. Eine Demografie-Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zeigt einen deutlichen Boom im Süden.

Stuttgart/Berlin - Bevölkerungsforscher prognostizieren für Deutschland bis 2035 eine wachsende Stadt-Land- und Nord-Süd-Kluft. Von den Top-20 der Landkreise und kreisfreien Städte mit den besten Lebensbedingungen liegen 19 in Bayern und Baden-Württemberg, heißt es einer am Freitag vorgestellten Demografie-Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Als einzige nicht-süddeutsche Kommune und ostdeutsche Stadt schaffte es Dresden auf Platz 15 der Boomtowns. Angeführt wird die Liste von München.

 

Gelsenkirchen liegt auf dem letzten Platz

Die Gruppe der 20 Schlusslichter wird vom niedersächsischen Holzminden angeführt. Auf dem letzten Platz steht Gelsenkirchen. Allein sechs der am schlechtesten bewerteten Landkreise und kreisfreien Städte liegen in Nordrhein-Westfalen, vier in Niedersachsen, drei im Saarland. Aus Ostdeutschland sind es nur noch fünf, davon drei in Sachsen-Anhalt. 2006 lagen von den Schlusslichtern 19 von 20 zwischen Rügen und dem Erzgebirge, 2011 waren es noch 14. Da habe sich einiges verschoben, sagte der Direktor des Berlin-Instituts, Reiner Klingholz. Dem Aufbau Ost folge ein Abstieg West: „Deutschlands Armenhaus ist jetzt das Ruhrgebiet.“

In der Studie „Die demografische Lage der Nation“ hat das Berlin-Institut erstmals eine eigene, regionale Bevölkerungsprognose für alle 401 Landkreise und kreisfreien Städte berechnen lassen. Demnach liegt dank Zuwanderung und leicht gestiegener Kinderzahlen die Einwohnerzahl in Deutschland derzeit bei rund 83 Millionen. Auch in den nächsten Jahren dürfte die Bevölkerung laut Prognose kaum schrumpfen und 2035 bei etwa 82,3 Millionen Menschen liegen.

Einwohnerzahlen im ländlichen Regionen werden sinken

Allerdings erwarten die Wissenschaftler bundesweit ein stärkeres Stadt-Land-Gefälle. „Die regionalen Verwerfungen zwischen den prosperierenden Großstädten und den entlegenen, strukturschwachen Regionen werden sich verschärfen“, prognostiziert Klingholz. Während die Städte und süddeutschen Boomregionen dazugewinnen, werden vielerorts im Ruhrgebiet und im Saarland sowie in ländlichen Regionen entlang der früheren innerdeutschen Grenze, in der Südwestpfalz und an den Küsten die Einwohnerzahlen weiter sinken.

Auch alle fünf ostdeutschen Flächenländer werden bis 2035 weiter schrumpfen und mehr als jeden fünften Einwohner verlieren. Besonders düster sieht die Prognose für Sachsen-Anhalt aus mit fast 16 Prozent Bevölkerungsschwund. Von den 2,9 Millionen Einwohnern 1990 werden 2035 noch 1,9 Millionen übrig bleiben. Die Jungen ziehen in die urbanen Großräume, und das Land schrumpft weiträumig. So werden im brandenburgischen Landkreis Spree-Neiße 2035 auf eine Geburt vier Beerdigungen kommen. „Dem Osten gehen regelrecht die Menschen aus“, sagte Klingholz.

Die am schnellsten wachsende Stadt Deutschlands

Gleichzeitig liegt im Osten aber mit Leipzig auch die am schnellsten wachsende Stadt der Republik. Bis 2035 werde die Einwohnerzahl der größten sächsischen Stadt um rund 16 Prozent zunehmen, sagte Studien-Mitautor Manuel Slupina. Zu den weiteren Leuchttürmen in den fünf ostdeutschen Flächenländern zählen Potsdam, Dresden, Erfurt, Jena, Rostock, Halle und Magdeburg. „Wachstum und Schrumpfung liegen somit dicht beieinander, und beides muss gestaltet werden“, sagte Slupina.