Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Noch empfinden sich die Babyboomer als die Säulen der Arbeitswelt, besetzen die zentralen Stellen in Wirtschaft und Verwaltung, versperren den Jungen die Aufstiegswege. Da die Rente mit fünfzig kein Thema ist, müssen sich die Jungspunde noch lange gedulden: So bald werden wir nicht Platz machen. Der Jahrgang 1964 ist der erste, der exakt bis zum vollen 67. Lebensjahr arbeiten muss, wenn er keine Abschläge in Kauf nehmen will. Erst 2031 wird er nach heutigem Stand das Feld räumen.Somit ist 1964 auch der erste Jahrgang, der voll für den damaligen Kindersegen zur Rechenschaft gezogen wird. Trotzdem hätte es die Umdiefünfzigjährigen schlimmer treffen können: Sie mussten weniger Neues wagen als ihre Eltern nach dem Weltkrieg. Oft hat der Sohn den Beruf des Vaters ergriffen, als Handwerker oder Unternehmer, als Jurist oder Lehrer. Sie haben es sich in ihrem Leben bequem gemacht und mussten nur darauf achten, nicht von den Schienen zu fliegen, die ihnen bereitwillig ausgelegt worden waren. Sie führen ein Leben, von dem ihre Erzeuger nur träumen konnten. Von den Aufbauleistungen der Nachkriegsgeneration haben sie in jeder Hinsicht profitiert. Die Eltern haben es nicht für sich getan; über Jahrzehnte galt die Devise, dass die Kinder es einmal besser haben sollen als sie selbst. Dieses Prinzip hat uns zu pragmatischen Menschen gemacht: tüchtig und strebsam, aber auch angepasst und wenig kämpferisch – ohne übermäßigen Enthusiasmus, die Welt zu verändern. Denn das war ja nicht nötig.

 

Elitegefühl trotz Massenerfahrung

Mehr Masse als Klasse also? Im Gegenteil, man schwimmt mit im großen Strom, und trotzdem schleicht sich so etwas wie ein Elitegefühl ein. Wer will, mag es auch als Ausdruck mangelnder Individualität ansehen, doch ein gewisser Stolz dazuzugehören, ist nicht zu verhehlen. 1964 war unterm Strich ein besonderer Jahrgang.

Die Babyboomer können darauf hoffen, dass die Republik noch ein paar gute Jahre hat, bis die Vergreisung die Gesellschaft vollends erfasst. Schon 2030 wird deutlich mehr als jeder dritte Bürger (36,2 Prozent) mindestens sechs Jahrzehnte gelebt haben. Dann werden die vormals produktiven Jahrgänge zu Empfängern der Sozialsysteme, und viel weniger Menschen müssen für den Wohlstand sorgen. Selbst eine Renaissance (Wiedergeburt) des Babybooms würde daran nichts ändern. Nach uns die Sintflut? Dass die 64er, 63er und 62er viele (gewesen) sind, werden die Kinder und Kindeskinder noch etliche Jahrzehnte spüren.