Rechtspopulistische Einstellungen setzen sich in Mitte der Gesellschaft fest. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie. Die Forscher warnen vor einer fortschreitenden Destabilisierung der Demokratie.

Berlin - .Obwohl die große Mehrheit der Deutschen die Demokratie befürwortet und ihre Werte hochhält, wird die Mitte der Gesellschaft von Verschwörungstheorien und Rechtspopulismus erreicht. Zu diesem Trend kommt die aktuelle „Mitte-Studie“, die alle zwei Jahre rechtsextreme und antidemokratische Einstellungen in Deutschland misst. Die Forscher interpretieren die teils sehr widersprüchlichen und schwer in Einklang zu bringenden Ergebnisse ihrer Befragung als Zeichen von Destabilisierung: „Die Mitte verliert ihren festen Boden und ihre demokratische Orientierung“, sagte Andreas Zick, Direktor des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, am Donnerstag in Berlin. Sein Team führt die repräsentative Reihenuntersuchung im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung durch.

 

Der für die Wissenschaftler auffälligste Trend ist, dass rechtsextreme, rechtspopulistische und neue rechte Einstellungen zusammenfließen. Es gebe zwar keinen weiteren Rechtsruck, so Zick, aber zu beobachten sei eine Verkrustung entsprechender Einstellungen in der Gesellschaft.

Sehr große Zustimmung zu Demokratie

Grundsätzlich ist die Zustimmung zur Demokratie überwältigend – 86 Prozent der Befragten halten diese Staatsform für „unerlässlich“ und finden, der Zusammenhalt in der EU müsse gestärkt werden. 93 Prozent finden, Würde und Gleichheit als Werte sollten an erster Stelle stehen. Auch Homophobie und Vorurteile gegenüber Obdachlosen haben abgenommen, und mehr als 80 Prozent der Befragten sagen, sie finden es gut, wenn Menschen sich für Minderheiten und gegen Hetze einsetzen. Gleichzeitig aber wachsen nach Einschätzung der Forscher die Vorbehalte gegen Asylsuchende. Dieser Wert steige von Umfrage zu Umfrage – aktuell äußere sich mit 54,1 Prozent mehr als jeder Zweite abwertend über Asylsuchende. Die Befragten sollten zu zwei Aussagen Stellung nehmen sollten: „Bei der Prüfung von Asylanträgen sollte der Staat großzügig sein“ und „Die meisten Asylbewerber werden in ihrem Heimatland gar nicht verfolgt.“ Auf den Einwand, in beiden Aussagen liege nicht erkennbar eine Abwertung, antwortete die Wissenschaftlerin Beate Küpper, den Befragten sei im Vorfeld eine Reihe weiterer Fragen gestellt worden.

Glaube an „geheime Organisationen“

Zum ersten Mal beschäftigten sich die Forscher in diesem Jahr vor dem Hintergrund von Fake News und wissenschaftsfeindlichen Debatten auch mit dem Phänomen der Verschwörungsmythen – mit aussagekräftigen Ergebnissen: So glaubt zum Beispiel fast jeder Zweite (46 Prozent), es gebe „geheime Organisationen, die Einfluss auf politische Entscheidungen haben.“ 33 Prozent glauben, dass Politiker „nur Marionetten der dahinter stehenden Mächte“ seien, und 25 Prozent denkt, Politik und Medien „stecken unter einer Decke“. Zwölf Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, Studien über den Klimawandel seien gefälscht. Der Konsens darüber, worauf man sich verlassen und wem man glauben wolle, gerate ins Wanken, so die Forscher.

Auf deutlich gewachsenen Zuspruch treffen auch Einstellungen aus der so genannten „Neuen Rechten“ – hier spiegele sich ein Rechtsextremismus in „zunächst harmloser erscheinenden Meinungen“ wider. Zwar seien neurechte Gruppierungen wie die Identitäre Bewegung nur klein, sie verfolgten aber das Ziel der Infiltrierung. Mit Erfolg, wie die Forscher feststellen: einige „neurechte Mentalitäten“ sickerten in die Mitte der Gesellschaft ein. Dazu gehörten unter anderem die Idee einer Islamverschwörung und die Unterstellung eines Meinungsdiktats. Jeder Vierte stimmt der Aussage zu, Deutschland werde vom Islam unterwandert. Im Osten sind der Studie zufolge die Ablehnung von Muslimen und Zuwanderern deutlich stärker ausgeprägt als im Westen.

Auch wenn nur etwa drei Prozent der Befragten ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild aufwiesen, lagen die Zahlen zu einzelnen Aussagen doch bedeutend höher und wuchsen teilweise. So stimmen inzwischen zehn Prozent der Bevölkerung der Aussage zu, es gebe „wertvolles und unwertes Leben“.

Auffällig ist eine Entwicklung bei jüngeren Befragten: sie seien neuerdings genauso häufig menschenfeindlich und rechtsextrem eingestellt wie ältere Befragte. Dies falle besonders bei der Verharmlosung des Nationalsozialismus und beim Sozialdarwinismus ins Auge.