Nazi-Phrasen kommen aus der Mode. Dennoch pflegen viele Deutsche ihre Ressentiments gegen Minderheiten wie Asylbewerber, Sinti und Roma sowie Langzeitarbeitslose, hat eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgefunden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Wie stabil ist das Fundament unserer Demokratie? Seit 2006 lässt die Friedrich-Ebert-Stiftung alle zwei Jahre erfragen, wie anfällig die deutsche Mittelschicht für rechtsextremes Denken ist. Der neueste Befund lässt sich mit vier Worten zusammenfassen: „Fragile Mitte – feindselige Zustände“. So ist die Studie betitelt, deren Ergebnisse am Donnerstag in Berlin veröffentlicht wurden. Sie beruht auf einer repräsentativen Umfrage unter knapp 2000 Bürgern im Sommer.

 

Einige Trends, die sich aus den Antworten ablesen lassen, sind durchaus positiv: rechtsextreme Einstellungen haben deutlich an Popularität eingebüßt. Allerdings seien nationalistische und ausländerfeindliche Parolen „noch fest in der Mitte der Gesellschaft verankert“. Im Osten sind die Menschen weiterhin stärker für solche Phrasen zu begeistern als im Westen. Jüngere und Senioren neigen ihnen mehr zu als Bürger mittleren Alters.

Klassischer Antisemitismus nimmt ab

Sehr stark verbreitet seien Vorurteile gegen Minderheiten. Diese richteten sich vor allem gegen Asylbewerber, Sinti und Roma sowie gegen Langzeitarbeitslose. 47,8 Prozent äußerten sich abfällig gegen Menschen, die seit langem keiner Arbeit mehr nachgehen. 44,3 Prozent hätten ein schlechtes Bild von Flüchtlingen, die in Deutschland Obhut suchen. Rassistische Ansichten und pauschale Aversionen gegen Muslime hätten hingegen verglichen mit Studien der Vorjahre abgenommen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung spricht insgesamt von einer „Verlagerung in subtile Formen menschenfeindlichen und rechtsextremen Denkens“.

Das gilt auch für einen speziellen Aspekt: den Antisemitismus. Die alten Schablonen des Judenhasses haben offenbar ausgedient. Antisemitismus im klassischen Sinne nehme ab, seit es diese Langzeitstudie gibt. Einen Ausschlag nach oben gab es allerdings nach dem Beginn des Gaza-Kriegs in diesem Sommer. Mehr als 20 Prozent der Bevölkerung findet Sprüche nach folgendem Muster akzeptabel: „Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat.“ Jeder Zweite gibt auch zu, dass er sich „ärgere darüber, dass den Deutschen auch heute noch die Verbrechen an den Juden vorgehalten werden“. Die Forscher nennen das „sekundären Antisemitismus“.

Misstrauen gegen politische Eliten

Die Studie deute auf einen „Chauvinismus der Mitte, der deutlich ansteigt“, sagt Andreas Zick vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Grundsätzliche Zweifel an der Funktionsfähigkeit der Demokratie und Misstrauen gegen politische Eliten seien weit verbreitet. Die Forscher sehen einen „marktförmigen Extremismus“ auf dem Vormarsch. Extremes Effizienzdenken und Wettbewerbsfanatismus verdränge Solidarität und die Idee der Gleichwertigkeit. Die Neopartei AfD leiste solchen Denkmustern Vorschub, so lautet ein Befund. Sie „scheint als politisches Sprachrohr die Verbindung von Bedrohungsängsten und marktförmigem Extremismus zu kanalisieren“, heißt es.