In Paris kommt es bereits zum 12. Protest-Wochenende der „Gelbwesten“. Dieses Mal stehen insbesondere die bei den Protesten Verletzten im Vordergrund. Die Demonstranten fordern das Verbot von gefährlichen Hartgummigeschossen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Die Stimmung auf dem Place Félix Eboué in Paris ist angespannt. „Ich bin nicht sicher, was heute passieren wird“, sagt ein junger Mann, der ein Anti-Macron-Plakat in den grauen Himmel reckt. Rund 5000 „Gelbwesten“ haben sich am Samstag auf dem Platz versammelt, um zum zwölften Mal gegen die Politik der französischen Regierung zu demonstrieren. Mitten in der Menge stehen rund 100 schwarz vermummte Gestalten und brüllen im Chor: „Siamo tutti anitfascisti!“ Ein Ordner der „Gelbwesten“ drängelt sich energisch in Richtung des schwarzen Blocks und gibt eine klare Anweisung: „Keine Gewalt!“

 

An diesem 12. Protest-Wochenende machten die Demonstranten vor allem auf das Schicksal der Menschen aufmerksam, die bei den zum Teil gewaltsamen Protesten verletzt wurden - nach offiziellen Zahlen rund 1700 Demonstranten und 1000 Polizisten. Die Kritik der Demonstranten richtet sich vor allem gegen den Einsatz von Hartgummigeschossen, den LBD (Lanceur de balle de défense).

Anführer am Auge verletzt

Das ist eine sogenannte nicht-tödliche Waffe, die aussieht wie ein Gewehr und mit einem Zielfernrohr ausgestattet ist. In Deutschland werden die Gummigeschosse nur von Spezialkommandos in Hessen und Sachsen eingesetzt – auch bei den Ausschreitungen auf dem G-20-Gipfel kamen sie zum Einsatz. Schießen dürfen die Polizisten nur auf den Köper und die Beine, dennoch ist es durch die Geschosse in Frankreich zuletzt immer wieder zu schweren Kopf- und Augenverletzungen bei Demonstranten gekommen.

Der vergangene Woche während einer Demonstration schwer am Auge verletzte „Gelbwesten“-Anführer Jérôme Rodrigues wurde mit Applaus begrüßt, als er zu der Kundgebung erschien.

Missbräuche sollen geahndet werden

Frankreichs Innenminister Christophe Castaner verteidigt den Einsatz der LBD als notwendigen Schutz der Sicherheitskräfte. Zugleich kündigte er an, „Missbräuche“ durch die Polizei zu ahnden. Die Stimmung bei den Demonstranten angeheizt hatte das Urteil des Pariser Stadtrates als oberstes Verwaltungsgericht, das am Tag vor den Protesten an diesem Wochenende den Einsatz der gefährlichen Hartgummimunition mit dem Verweis auf die Gewalt bei den Protesten ausdrücklich erlaubte.

Als sich der Protestzug am Samstag gegen Mittag am Place Félix Eboué schließlich in Bewegung setzt, tragen viele in der Menge der „Gelbwesten“ Augenbinden, um gegen diese Entscheidung zu demonstrieren. Auf einem Plakat ist zu lesen: „Stoppt die LBD, wir wollen das Sterben des Kapitalismus mit beiden Augen beobachten!“

Politik wird verhöhnt

Immer wieder branden auf dem Marsch durch die Avenue Daumesnil Sprechchöre auf, in denen Präsident Emmanuel Macron zum Rücktritt aufgefordert und seine Politik verhöhnt wird. Menschen, die neugierig aus den Fenstern ihrer Wohnungen auf den Zug der „Gelbwesten“ starren, werden lautstark aufgefordert, sich der Bewegung anzuschließen. „Raus auf die Straße“, hallt ihnen entgegen. Und schließlich immer wieder die Forderung nach der Stärkung der Kaufkraft der Franzosen, niederen Steuern und höheren Renten.

Nach Angaben der Organisatoren nahmen auch dieses Wochenende in ganz Frankreich mehrere zehntausend Menschen in verschiedenen Städten an den Protesten gegen die Regierung teil. „Wir geben nicht auf“, rief der verletzte „Gelbwesten“-Anführer Jérôme Rodrigues in Paris. Die Menge skandierte dazu: „Emmanuel Macron, wir kommen zu Dir nach Hause!“