Nicht nur in Stuttgart demonstrieren Menschen mit kurdischen Wurzeln gegen den Einmarsch der Türkei in Syrien. Wer sind die Kurden, wie viele leben hier? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Stuttgart - Die meisten Menschen, die jüngst in der Stuttgarter Innenstadt unterwegs waren, dürften die kurdische Flagge mittlerweile kennen. Anfang Oktober hatte die Türkei eine Militäroffensive gegen die kurdische YPG-Miliz im syrisch-türkischen Grenzgebiet begonnen. Seitdem sind mehr als 150 000 Menschen auf der Flucht, laut Hilfsorganisationen ist die Lage in dem Gebiet verheerend. Und der Konflikt ist auch in Deutschland angekommen: In Stuttgart und anderen Städten demonstrieren Menschen mit kurdischen Wurzeln gegen den Einmarsch.

 

Wer sind Kurden und wie viele leben in Deutschland? Wir klären die wichtigsten Fragen.

Wer sind die Kurden?

Die Kurden sind eine Volksgruppe. Weltweit gelten sie als die größte Volksgruppe ohne eigenen Staat. Ihre Mitglieder leben in verschiedenen Ländern: die meisten etwa in Syrien, Irak, Iran und in der Türkei. Sie sprechen aber eine eigene Sprache: Kurdisch. Weltweit zählen etwa 25 bis 30 Millionen Menschen zu dieser Gruppe.

Früher waren viele Kurden in Stämmen organisiert. Oft waren sie mit Schafen und Ziegen als Nomaden unterwegs. Das war in Regionen des Irak, Iran und der Türkei. Das Gebiet wird deshalb auch als Kurdistan bezeichnet. Einen eigenen kurdischen Staat gibt es nicht. Den wünschen sich manche Kurden jedoch schon lange – auch weil die Gruppe häufig unterdrückt wurde. Manche Kurden setzen sich auch gewaltsam für einen eigenen Staat ein. Darum gibt es seit langer Zeit Konflikte.

Wie geht die Türkei mit Kurden um?

Die Kurden sind in der Türkei nicht als Minderheit anerkannt, sondern gelten entsprechend des türkischen Nationalbegriffs als türkische Staatsangehörige. Daraus ergibt sich ein Assimilationsdruck. Lange war es in der Türkei zum Beispiel auch verboten, Kurdisch zu sprechen. In den vergangenen Jahrzehnten gab es heftige Aufstände, vor allem im Südosten der Türkei. Tausende Menschen starben im Guerillakrieg zwischen der PKK – der Arbeiterpartei Kurdistans, die in Deutschland als terroristische Vereinigung eingestuft wird – und dem türkischen Militär. Als Recep Tayyip Erdogan Ministerpräsident der Türkei wurde, versprach er zunächst, das Kurdenproblem zu lösen. Er räumte der Gruppe mehr Rechte ein – zum Beispiel wurde 2012 Kurdisch als Wahlfach an Schulen eingeführt – und es gab Friedensverhandlungen mit der PKK. Der Prozess geriet aber ins Stocken. Nach den Parlamentswahlen 2015 kündigte Erdogan die Friedensgespräche wieder auf. Seit einiger Zeit werden demokratisch gewählte kurdische Repräsentanten wieder verfolgt – zum Beispiel anlässlich der letzten Kommunalwahl in der Türkei.

Wie viele Menschen mit kurdischen Wurzeln leben in Deutschland?

Generell gibt es dazu keine amtlichen Statistiken. Der Grund dafür: Im Ausländerzentralregister wird nur die Staatsangehörigkeit erfasst – Kurden haben aber keinen eigenen Staat. Und im deutschen Mikrozensus wird ebenfalls nur erfragt, welche Staatsangehörigkeit man selbst hat oder welche die Eltern haben. Deshalb gibt es nur Schätzungen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) beruft sich in einer Publikation auf verschiedene Quellen, die von 500 000 bis einer Million in Deutschland lebenden Kurden ausgehen.

Sehen Sie außerdem im Video: Kurden demonstrieren in Stuttgart – wir erklären die Hintergründe.

Wie viele Kurden haben in Deutschland Asyl beantragt?

Dazu liegen Zahlen vor, die das Bamf jüngst auf Anfrage des Mediendienst Integration mitteilte. Demnach wurden seit 2014 rund 330 000 Asylanträge von Kurdinnen und Kurden aus Syrien, dem Irak, dem Iran und der Türkei oder mit ungeklärter Staatsangehörigkeit gestellt. Über die Hälfte von ihnen kam aus Syrien, rund 36 Prozent aus dem Irak und rund sechs Prozent aus der Türkei. Die Zahlen basieren auf freiwilligen Angaben der Geflüchteten. Im Asylverfahren können sie die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit angeben.

Mit Abstand am höchsten war die Zahl der Asylanträge von Kurden im Jahr 2016. Damals haben rund 146 000 Menschen, die angaben, Kurden zu sein, in Deutschland Asyl beantragt. 2018 waren es nur noch rund 33 000. Dieses Jahr haben bis Ende September rund 23 000 Kurden Asyl beantragt.

Wie viele von ihnen sind in Deutschland geblieben?

Auch das lässt sich nicht eindeutig sagen. Zahlen gibt es nur dazu, wie viele Personen hier Schutz erhalten haben. Seit 2014 waren das rund 252 000 Menschen. Die Schutzquote von Kurden unterscheidet sich je nach Herkunftsland. Bei Menschen aus Syrien lag sie 2018 bei rund 80 Prozent. Bei Kurdinnen und Kurden aus dem Irak betrug sie 2018 rund 34 Prozent. 2015 lag sie noch bei rund 90 Prozent.

Welche Besonderheit gibt es bei Asylsuchenden aus der Türkei?

Hier ist auffällig, dass sich die Schutzquoten deutlich unterscheiden. Betrachtet man alle Asylsuchenden aus der Türkei, lag die Schutzquote 2018 im Schnitt bei etwa 41 Prozent. Innerhalb der Gruppe, die „Kurden“ als ethnische Zugehörigkeit angab, lag sie nur bei rund 13 Prozent. Die Bundestagsfraktion der Linken hatte im April 2019 in einer parlamentarischen Anfrage nachgefragt, wie die Bundesregierung sich diese Diskrepanz erklärt. Die Antwort: Eine Entscheidung im Asylverfahren sei immer eine Einzelfallentscheidung.