Das Schulprojekt „Schritt für Schritt“ der Denkendorfer Ludwig-Uhland-Schule in Sierra Leone geht nach 16 Jahren in neue Hände über. Nachhaltigkeit ist den Initiatoren wichtig.

Drei Schulgebäude, ein Lehrerhaus, eine Backstube, eine Schulfarm, eine Erste-Hilfe-Station und ein Brunnen: Die Bilanz dessen, was die Arbeitsgemeinschaft „Schritt für Schritt für Sierra Leone“ als Teil des Denkendorfer Fördervereins der Ludwig-Uhland-Schule (LUS) seit 2006 in Rotifunk Village realisiert und finanziert hat, kann sich sehen lassen. Nun übergibt die AG das Projekt an den Verein Forikolo, der ebenfalls Bildungsarbeit in Sierra Leone betreibt und schon bisher die Denkendorfer unterstützt hat.

 

Der Honorarkonsul aus Denkendorf nahm den Faden auf

Entstanden ist das Schulprojekt im Jahr 2006 aus der Idee des Fördervereins, dass die Grundschüler mal über den Tellerrand schauen und erfahren sollten, wie es um Schulen für Kinder in Afrika bestellt ist, erinnert sich Birgit Förster, damals Vorsitzende des Fördervereins und treibende Kraft des Schulprojekts. Schulleitung und Kollegium waren gleich einverstanden und Förster nahm Kontakt mit Willi Drechsler auf, Denkendorfer Bürger und damals Honorarkonsul von Sierra Leone.

Ihn wiederum hatte fast gleichzeitig die Deutsche Botschaft um Unterstützung für den Bau einer Schule in Rotifunk gebeten. „So kam es, dass wir eine Schule am Ende der Welt bauten, in einem Gebiet ohne Straßen und inmitten von Palmwäldern“, erzählt Förster. Schnell sei der Stein ins Rollen gekommen, berichtet Drechsler. Der Förderverein hatte einen finanziellen Grundstock, so dass bereits im Mai 2006 der Grundstein für das erste Schulhaus gelegt werden konnte. Die Dorfbevölkerung beteiligte sich mit Eigenleistungen am Bau und stellte etwa Ziegelsteine her.

In Denkendorf wurden derzeit fleißig weitere Spenden gesammelt. Es gab einen Sponsorenlauf mit viel Prominenz, ein Fußballevent zusammen mit dem VfB Stuttgart und die Erlöse des Benefizlaufs beim Schlehenfest flossen mehrmals in das Projekt. An der Denkendorfer Schule war Afrika allgegenwärtig: Es gab einen Afrika-Tag und ein Afrika-Musical sowie viele Projekte, durch die Geld für den guten Zweck gesammelt wurde. „Die Schüler der LUS bekamen so einen Blick für die Welt“, sagt Dan Siebold von der AG „Schritt für Schritt“.

Wichtig ist, dass auch Mädchen die Schule besuchen

„Es war uns sehr wichtig, dass auch die Mädchen in die Schule gehen können“, sagt Willi Drechsler. Deshalb wurde zunächst ein Brunnen gebaut, durch den die stundenlangen Märsche zum Wasserholen – traditionell Aufgabe der Mädchen – wegfielen. Heute machen die Mädchen fast die Hälfte der Schüler aus. Anfang 2008 wurde das erste Schulgebäude eingeweiht, nur ein Jahr später das zweite. 2011 begann man mit dem Bau einer Sekundarschule, die 2014 eröffnet wurde. Zu allen Einweihungen kam stets auch der deutsche Botschafter. Ursprünglich war das Projekt für 250 Schülerinnen und Schüler angelegt. Inzwischen werden in Rotifunk 450 Mädchen und Jungen unterrichtet.

Weil die Lehrer für die Sekundarstufe von auswärts kommen, brauchten sie eine Unterkunft. So entstand 2016 ein Lehrerhaus. Auch die Gehälter der Lehrer finanzierte die AG über Jahre. Seit 2018 ist die „Primary School“, seit 2019 die „Secondary School“ staatlich anerkannt. Nun übernimmt der Staat die Lehrergehälter. Das sei ein wichtiges Ziel gewesen, sagt Förster. Auch eine Backstube und eine Erste-Hilfe-Station wurden inzwischen gebaut und ein Schulgarten ist angelegt worden.

„Eine riesige Herausforderung“, urteilt Drechsler im Rückblick. Sie habe man nur meistern können, weil früh ein Netzwerk aufgebaut wurde. Neben der Deutschen Botschaft und Brot für die Welt gehörte auch die Organisation Elizabeth Agriculture Farmers Association (EAFA) mit dem in Deutschland lebenden Debali Konteh an der Spitze dazu. Das Technische Hilfswerk (THW) begann mit dem Bau des ersten Schulgebäudes, danach übernahm die EAFA. Und auch Forikolo war früh mit im Boot. Dass der gemeinnützige Verein das Denkendorfer Projekt weiterführe, sei eine einmalige Chance, sagt Dan Siebold. Forikolo habe Menschen vor Ort, um die Projekte voranzutreiben.

Der Abschied von dem Herzensprojekt fällt schwer

Das konnten die Denkendorfer nicht leisten, auch wenn sie immer wieder nach Rotifunk reisten. Die Coronapandemie habe den Abstand vergrößert. Zudem kamen zum Team keine neuen Mitstreiter hinzu. Deshalb sei nun ein guter Zeitpunkt, das Projekt in andere Hände zu geben. „Wir hätten nie gedacht, dass wir so viel erreichen. Es ist uns aber wichtig, dass unser Engagement nachhaltig ist“, sagt Birgit Förster. Forikolo habe die nötigen Ressourcen, um Weiteres in Sachen Bildung zu bewegen. Und sie bieten das, was Förster gerne noch angestoßen hätte: die Förderung von Ausbildungen junger Menschen. „Man muss auch loslassen können“, betont Willi Drechsler. Und doch schwingt bei allen viel Wehmut mit, der Abschied vom Herzensprojekt fällt schwer.

Engagement in einem der ärmsten Länder der Welt

Rotifunk/Sierra Leone
 Die Republik Sierra Leone an der Westküste Afrikas hat gut sieben Millionen Einwohner. Zwischen 1991 und 2002 herrschte ein blutiger Bürgerkrieg. Sierra Leone zählt zu den ärmsten Ländern der Welt.

Rotifunk Village
 liegt im Distrikt Port Loko im Westen von Sierra Leone, knapp 180 Kilometer von der Hauptstadt Freetown entfernt. Der Ort hat rund 350 Einwohner, mit den umliegenden Gemeinden sind es etwa 3500. Haupteinnahmequelle ist die Landwirtschaft.

Forikolo
 Der Verein mit Sitz in Leipzig wurde 2002 gegründet und hat sich zum Ziel gesetzt, in Sierra Leone vor allem Bildung und Landwirtschaft zu fördern. Er ist benannt nach dem Ort Forikolo, wo der Verein sein erstes Schulgebäude finanziert hat. Inzwischen hat Forikolo e.V. unter anderem 20 Schulen, neun Bäckereien und acht Brunnen realisiert.

Informationen unter www.forikolo.de