Universität und Volkshochschule, Kirchen und Deutsch-Türkisches Forum, Anstifter und Staatsgalerie: Sie alle haben sich zum „Kartell Zukunft“ zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie offen über Themen diskutieren, die Stuttgarts Zukunft ausmachen könnten.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Die Liste liest sich wie das Who’s who der bildungs- und gesellschaftspolitischen Einrichtungen in Stuttgart. Von der Universität bis zur Volkshochschule, von der evangelischen und der katholischen Kirche bis zum Deutsch-Türkischen Forum, von den Anstiftern bis zur Staatsgalerie haben sich mehr als ein Dutzend Institutionen in einem neuen Kreis namens „Kartell Zukunft“ zusammengeschlossen, um „einen Debattenraum jenseits der akademischen Betrachtung und jenseits der Parteipolitik zu eröffnen“.

 

Der das sagt, heißt Michael Kienzle. Als geschäftsführender Vorstand der Stiftung Geißstraße ist er so etwas wie der Geburtshelfer der neuen Initiative. Seiner Ansicht nach arbeiten zwar viele Gruppierungen schon lange an zukunftsträchtigen Themen. „Unserem Bemühen fehlt bisher aber die Nachhaltigkeit“, sagt der Literaturwissenschaftler und frühere Grünen-Stadtrat. Er hofft daher darauf, dass sich die Kartell-Teilnehmer „durch Workshops, Veranstaltungen, Initiativen, Spaziergängen zu Orten, an denen Zukunft entsteht, und schließlich durch einen Kongress Ende 2015 vernetzen“. Ziel sei, „die Notwendigkeit vorausschauenden Handelns in der Stadt, in der Politik, der Wirtschaft und der Bürgerschaft zu verdeutlichen“.

Konkrete Pläne haben die Diskutanten allerdings noch nicht geschmiedet. Zwar hat man sich im alten Jahr bereits zweimal getroffen. Allerdings sei es da eher darum gegangen, die jeweils anderen Institutionen näher kennenzulernen. „Das ist es, was mich an diesem Projekt überzeugt“, sagt Eberhard Schwarz, der Pfarrer an der evangelischen Kirche im Hospitalhof, „hier sitzen sehr heterogene Akteure an einem Tisch, die sonst nicht zwangsläufig miteinander reden.“ Schon das sei „ein Zeichen in die Stadtgesellschaft hinein“.

Teilnehmer sollen gemeinsame Vision entwickeln

Genauso sieht das Fritz Mielert, der Geschäftsführer der Anstifter, die zuletzt ihren Friedenspreis an den Whistleblower Edward Snowden verliehen haben und die nun als Veranstalter der Anti-Pegida-Demo auftreten. Von der Energiewende bis zum sozialen Zusammenhalt in einer alternden Gesellschaft habe Stuttgart „in vielen Fragen rund um seine Zukunftsfähigkeit noch keine befriedigende Antworten gefunden“, sagt Mielert. Er hoffe daher, „dass wir im Kartell Zukunft über diese Fragen sehr offen diskutieren und eine gemeinsame Vision für eine Stadt der Zukunft entwickeln können“, erklärt Mielert und lobt ebenfalls die „Mischung unterschiedlichster Akteure“, die den Zusammenschluss „reizvoll“ mache.

Tatsächlich scheinen alle Teilnehmer trotz ihres unterschiedlichen Hintergrunds einige Kernerfahrungen zu teilen – etwa, dass „die weltweiten Migrationsbewegungen schon sehr konkret bei uns angekommen sind“ , wie Michael Kienzle festgestellt hat. „In der Stuttgarter City haben wir evangelisch gemeldete Gemeindemitglieder aus mittlerweile 21 Nationen gezählt“, sekundiert Pfarrer Schwarz und betont, dass sich „sogar in diesem kleinen, sehr milieuspezifischen, schwäbisch-protestantischen Bereich die bunte neue Bürgergesellschaft abbildet“. Welche Schlüsse aus dieser Erkenntnis zu ziehen sind, wollen Schwarz, Mielert, Kienzle und Co. in den nächsten Monaten in ganz unterschiedlichen Runden diskutieren.

Zukunft für die Stadt gestalten

Im Gegensatz zu dem merkwürdigen Namen – ein Kartell steht gemeinhin ja für eine geschlossene Gesellschaft, die Absprachen trifft, um den eigenen Profit zu maximieren – sei der Zusammenschluss im aktuellen Fall „offen und transparent“, betont Michael Kienzle. Jeder Teilnehmer bleibe selbstständig und „jeder spricht für sich“. Vor diesem Hintergrund freue er sich auch über Zusagen „von weiteren Institutionen, auch solchen mit wirtschaftlichem Hintergrund, die sich einklinken werden“.

Was daraus wird? „Ich sehe das Kartell Zukunft ergebnisoffen“, sagt Pfarrer Schwarz. Anstifter-Geschäftsführer Mielert geht zumindest einen halben Schritt weiter und hofft, „dass das Projekt – oder ein Nachfolger – zu einer dauerhaften Denkfabrik für Stuttgarts Zukunft wird“.

Das wäre wohl ganz im Sinne des Oberbürgermeisters, der das Kartell für eine „sehr wichtige und lobenswerte Initiative hält, die ein Kernelement meiner Stadtpolitik berührt: dass sich die Bürgerinnen und Bürger darüber verständigen, was die Zukunft der Stadt ausmacht“. Mitglied ist Fritz Kuhn freilich nicht. Dennoch ist die Stadtverwaltung vertreten. Mit ihrer Abteilung Integration.