In Ulm laufen Gemeinderäte Sturm gegen den Verkauf und geplanten Abriss der Magirus-Villa. Es geht um die Identität der Stadt – und den langen Konflikt Denkmalschutz gegen Stadtentwicklung. Die Magirus-Villa ist nicht das erste Anwesen, das fällt.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Der Name Magirus hat einen fast mythischen Klang in der Stadt Ulm. Er steht für unternehmerischen Wagemut, Aufstieg und Wohlstand. Ein Überbleibsel wahrhaft goldener Zeiten ist eine prächtige Villa auf dem Ulmer Galgenberg, in dem einst die Familie von Unternehmensgründer Conrad Dietrich Magirus lebte. Von hier aus eröffnet sich ein prächtiger Blick hinunter ins Illertal.

 

Diesen Blick könnten bald die Käufer von Luxuswohnungen genießen, die anstelle des 1921 gebauten Hauses hier entstehen sollen. Ein Investor kaufte das von einer Mauer umgebene Gelände mit seinem schönen alten Baumbestand. Demnächst soll der Abrissbagger anrollen.

Entsetzte Reaktionen

Als das in der Stadt bekannt wurde, gab es entsetzte Reaktionen. Die CDU-Stadträte Hans-Walter Roth und Thomas Kienle stellten noch am 30. Dezember einen Antrag an die Stadtverwaltung, der sich wie eine flammende Anklage liest. „Wer die Magirus-Villa zerstört, zerstört das Magirus-Erbe unserer Stadt“, heißt es. Die Fraktion will wissen, ob im Vorfeld geprüft wurde, ob die Stadt, durch Vorkaufsrecht abgesichert, das Gebäude hätte kaufen können. Der Name Magirus, Pionier des Feuerwehrwesens, sei weltweit bekannt. „Und wir lassen uns von einem Investor über den Tisch ziehen?“

Die Stadtverwaltung beruft sich darauf, dass das Baurecht am Galgenberg den Bau von Apartmentwohnungen gestattet. Der Bauantrag sei genehmigt worden, nachdem auch die Denkmalbehörde beim Regierungspräsidium Tübingen eingeschaltet worden sei. Anfang 2012 kam es zu einer Besichtigung vor Ort. Ein Sprecher in Tübingen sagt über das Ergebnis: „Es ist aus fachlicher Sicht kein Kulturdenkmal.“ Die alte Villa, in der zeitweise die Räume des Ulmer Brotmuseums und später die Büros der Eiselen-Stiftung, die das Museum finanziert, untergebracht gewesen sind, ist innen über die Jahrzehnte stark umgebaut und verändert worden.

Erst die CDU-Fraktion, dann die Grünen

Was Denkmalpflegern wichtig ist – die exakte Erfassung und Bewertung noch erhaltener originaler Bausubstanz –, ist den Leuten häufig egal. Das zeigt sich gerade auch in Ulm. Enttäuschte Bürger haben eine Unterschriftenaktion gestartet, in vielen Leserbriefen dokumentiert sich das Unverständnis für den bevorstehenden Abriss.

Nicht nur für die CDU, auch für die Grünen gehört die Magirus-Villa zu jenem Gebäudeinventar, das Identifikation schafft und deswegen einen ganz eigenen hohen Stellenwert besitzt. Am Montag hat die Fraktion ihrerseits einen Antrag an die Ulmer Verwaltungsspitze gestellt, in dem der Erhalt des Gebäudes gefordert wird, in dem übrigens auch der durchreisende Albert Schweitzer einst logierte. Zudem fordern die Grünen ein Kataster, in dem alle Gebäude erfasst werden, die „stadtbildprägend, historisch und erhaltenswert sind“. Magirus ist nicht der erste baden-württembergische Industriebaron, dessen Privathaus abgebrochen wird. Zur Jahrtausendwende verschwand in Heidenheim die Villa des Papierfabrikanten Heinrich Voelter, Ahnherr des Papiermaschinenherstellers Voith. Im vergangenen Jahr musste schließlich die herrschaftliche alte Villa Hermann Voiths auf dem Siechenberg in Heidenheim neuen Wohnungen weichen. Bürger protestierten, ausrichten konnten sie nichts. Es habe sich nun mal kein anderer Käufer gefunden, hieß es jeweils.

Das Landesdenkmalamt wehrt sich

Beim Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen sind diese Fälle gut bekannt. Die Begehrlichkeiten von Wohnungsbauunternehmen, historische Gebäude mit großen Grundstücken aufzukaufen und sie durch Eigentumswohnungen zu ersetzen, nähmen tendenziell zu, sagt Peter Zaar, Sprecher des Regierungspräsidiums Stuttgart. Die Denkmalpfleger könnten diesen Trend allein nicht stoppen. „Wir sind immer die Bösen“, sagt Zaar. Doch um den Schutz ihrer Stadtbilder müssten sich zuerst die Kommunen selber kümmern. „Denk mal nach, was du da hast“, empfiehlt Zaar.

Den in Ulm auf die Tagesordnung gebrachten Plan, ein Kataster mit erhaltenswerten Gebäuden zu erstellen, findet der Behördensprecher lobenswert. Städte und Gemeinden könnten nicht alles, was erhaltenswert sei, selber kaufen. Doch über Gestaltungssatzungen für bestimmte Stadtteile lasse sich manches steuern. Auch der Einsatz von Bürgerinitiativen könne viel bewirken – bei Kommunalpolitikern, Hauseigentümern und Investoren.

In Mannheim hat das im vergangenen Jahr funktioniert. Nach Bürgerprotesten wurde der schon genehmigte Abbruch eines Barockpalais aus dem Jahr 1720 in der Innenstadt wieder abgeblasen.