Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Und wer noch immer nicht überzeugt ist, dass Rekonstruktion ein gangbarer Weg ist, den führt Patrik Brummermann von der Baustelle einfach ein paar Meter hinüber zum Römerberg. Gegenüber dem Rathaus stehen vier wunderschöne alte Fachwerkhäuser, mit Souvenirläden und Cafés und Begonien am Fenster. Was aber fast keiner mehr weiß: sie wurden in den 1980er Jahren neu gebaut, es gibt kaum einen originalen Stein. Doch längst sind sie das meistfotografierte Objekt in Frankfurt.

 

Manches an diesem Projekt wirkt fast zu schön, um wahr zu sein, vor allem wenn man mit Stuttgarter Brille auf Frankfurt blickt. So gibt es seit der Planungswerkstatt keinen grundsätzlichen Dissens mehr über das Vorhaben; nur an manchen Einzelfragen, wie dem Bau eines Veranstaltungshauses direkt über römischen und frühmittelalterlichen Mauerresten, scheiden sich die Geister. Dabei blieben die Reste natürlich sichtbar. Der Verkauf der Häuser läuft ebenfalls sehr gut – sie müssten nicht einmal Anzeigen schalten, sagt Thielemann. Viele suchten bewusst den historischen Charme des Viertels und seien bereit, am Entstehen dieses Charmes mitzuwirken. Ein Ehepaar plant zum Beispiel, im Erdgeschoss eine Apotheke einzurichten – und recherchiert in Museen, um ihre Apotheke nach altem Vorbild ausstatten zu können.

Standard von Passivhäusern

Damit das Viertel nicht nur eine tote Kulissenlandschaft wird, hat die Stadt auch dem Wohnen größte Bedeutung zugemessen: Fast zwei Drittel der 21 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche werden sich in Wohnungen verwandeln; der Rest gehört dem Kleingewerbe, der Gastronomie und der Kultur. An diesem Punkt haben die Planer auch den einzigen, allerdings gewaltigen Kompromiss gemacht: Das Innere der Häuser ist nirgendwo historisch, sondern an heutige Bedürfnisse angepasst. Mehr noch: die Stadt Frankfurt hat sich vor einiger Zeit selbst zur Auflage gemacht, bei kommunalen Projekten den Standard von Passivhäusern zu erreichen. Das gelingt fast, sogar bei den Fachwerkhäusern.

Rund 130 Millionen Euro investiert Frankfurt in das Viertel; ein großer Teil wird nach dem Verkauf der Häuser aber in die Stadtkasse zurückfließen. Viele andere Städte hätten dagegen Angst, für ein ähnliches Projekt in der Fachwelt gescholten zu werden für ein epigonenhaftes und rückwärtsgerichtetes Bauen. Frankfurt besitzt diese Furcht nicht. Warum auch? Wer vom Römer hinunter zum Main schlendert, sieht am Stadtrand ein Doppelhochhaus in den Himmel wachsen, einen Koloss auf zwei Beinen. Herkunft und Zukunft – Frankfurt am Main baut gerade an beidem.

Der heutige Stand sieht so aus: von den 35 Häusern werden 15 originalgetreu rekonstruiert – darunter das prachtvolle Haus zur Goldenen Waage, das ein reicher flämischer Zuckerbäcker 1619 hatte bauen lassen, oder das Rote Haus, das ab 1350 für Jahrhunderte der Sitz der Metzgerszunft gewesen war und das nur auf drei Säulen steht. Mit dem Hof zum Rebstock (um 1750) wird noch dieses Jahr begonnen, die Häuser Esslinger (16. Jahrhundert), Goldenes Lämmchen (1750) und Klein Nürnberg (16. Jahrhundert) folgen unmittelbar.

Vor allem der bisher ausgelöschte Hühnermarkt mit seinem Brunnen dürfte dann eine neue Attraktion in Frankfurt werden. Zwischen den rekonstruierten Gebäuden baut die Projektgesellschaft 20 neue Häuser, die aber in der Dachneigung, dem Baumaterial oder den Fensterfronten Anklänge der alten Häuser aufnehmen. Und auch die alten Gassen leben wieder auf, wie der Krönungsweg, auf dem die deutschen Kaiser nach ihrer Krönung im Dom zum Rathaus, dem Römer, geschritten waren.

Vorbehalte aus Architektenkreisen

Das ist doch Disneyland, sagen viele abschätzig in einem ersten Impuls, wenn sie von dem Vorhaben hören. Patrik Brummermann kennt die Vorbehalte vor allem aus dem Kreis seiner Berufskollegen, den Architekten, aber auch von Denkmalpflegern. Disneyland, das wäre für Brummermann eine frei erfundene Stadt, womöglich noch mit viel Plastik versehen. Das Dom-Römer-Areal aber sei anders. Erstens gebe es mit dem Jahr 1944 einen genauen Stichtag: Man baue nicht irgendetwas Beliebiges auf, sondern exakt jene Gebäude, die damals auf dieser Fläche standen.

So wird es kommen, dass ein gotisches Haus direkt an ein klassizistisches Gebäude angrenzt. Zweitens wende man keine Tricksereien an: Man baut keine Betonhäuser, an die man eine Fachwerkfassade klatscht, sondern alle rekonstruierten Häuser werden mit alten Handwerkstechniken als Fachwerkkonstruktion errichtet. Drittens halte man sich außen bis ins Detail ans historische Vorbild. Mancher Besitzer – 33 der 35 Häuser werden an Privatleute verkauft – habe zum Beispiel darum gebeten, die Haustür etwas höher oder die Fenster etwas breiter zu planen. Da beißt man bei Brummermann auf Granit.

Viertens aber, und das ist für den Magistrat der Stadt Frankfurt das Hauptargument, gibt es bei den Menschen eine große Sehnsucht nach dem alten Frankfurt. „Die Stadt hat eine sehr wichtige Rolle in der deutschen Geschichte gespielt“, sagt Brummermann, „aber das ist im Stadtbild gar nicht mehr abgebildet. Viele sehnen sich nach einer neuen historischen Identifikation.“ Es gebe deshalb keinen Anlass, diese städtebauliche Nostalgie von oben herab zu beurteilen: Sie sei legitim und in Zeiten der Globalisierung wohl eine normale Gegenbewegung. Vor allem werde sie durch die moderne Architektur verstärkt, schimpft Brummermann über seine eigene Zunft: „Für viele sind moderne Bauten eine große Enttäuschung. Diese Architektur ist austauschbar und nimmt oft keinen Bezug auf den Ort und die Herkunft.“

Fast zu schön, um wahr zu sein

Und wer noch immer nicht überzeugt ist, dass Rekonstruktion ein gangbarer Weg ist, den führt Patrik Brummermann von der Baustelle einfach ein paar Meter hinüber zum Römerberg. Gegenüber dem Rathaus stehen vier wunderschöne alte Fachwerkhäuser, mit Souvenirläden und Cafés und Begonien am Fenster. Was aber fast keiner mehr weiß: sie wurden in den 1980er Jahren neu gebaut, es gibt kaum einen originalen Stein. Doch längst sind sie das meistfotografierte Objekt in Frankfurt.

Manches an diesem Projekt wirkt fast zu schön, um wahr zu sein, vor allem wenn man mit Stuttgarter Brille auf Frankfurt blickt. So gibt es seit der Planungswerkstatt keinen grundsätzlichen Dissens mehr über das Vorhaben; nur an manchen Einzelfragen, wie dem Bau eines Veranstaltungshauses direkt über römischen und frühmittelalterlichen Mauerresten, scheiden sich die Geister. Dabei blieben die Reste natürlich sichtbar. Der Verkauf der Häuser läuft ebenfalls sehr gut – sie müssten nicht einmal Anzeigen schalten, sagt Thielemann. Viele suchten bewusst den historischen Charme des Viertels und seien bereit, am Entstehen dieses Charmes mitzuwirken. Ein Ehepaar plant zum Beispiel, im Erdgeschoss eine Apotheke einzurichten – und recherchiert in Museen, um ihre Apotheke nach altem Vorbild ausstatten zu können.

Standard von Passivhäusern

Damit das Viertel nicht nur eine tote Kulissenlandschaft wird, hat die Stadt auch dem Wohnen größte Bedeutung zugemessen: Fast zwei Drittel der 21 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche werden sich in Wohnungen verwandeln; der Rest gehört dem Kleingewerbe, der Gastronomie und der Kultur. An diesem Punkt haben die Planer auch den einzigen, allerdings gewaltigen Kompromiss gemacht: Das Innere der Häuser ist nirgendwo historisch, sondern an heutige Bedürfnisse angepasst. Mehr noch: die Stadt Frankfurt hat sich vor einiger Zeit selbst zur Auflage gemacht, bei kommunalen Projekten den Standard von Passivhäusern zu erreichen. Das gelingt fast, sogar bei den Fachwerkhäusern.

Rund 130 Millionen Euro investiert Frankfurt in das Viertel; ein großer Teil wird nach dem Verkauf der Häuser aber in die Stadtkasse zurückfließen. Viele andere Städte hätten dagegen Angst, für ein ähnliches Projekt in der Fachwelt gescholten zu werden für ein epigonenhaftes und rückwärtsgerichtetes Bauen. Frankfurt besitzt diese Furcht nicht. Warum auch? Wer vom Römer hinunter zum Main schlendert, sieht am Stadtrand ein Doppelhochhaus in den Himmel wachsen, einen Koloss auf zwei Beinen. Herkunft und Zukunft – Frankfurt am Main baut gerade an beidem.