Ob Bonatz-Bau oder Wengerterhaus – Bauwerke überliefern Geschichte. Die Züricher Professorin Uta Hassler kritisiert, dass bedeutende Bauten oft kurzfristigen Renditeerwartungen von Investoren zum Opfer fallen.

Stuttgart – Welche historischen Gebäude sind uns wichtig? Warum kann ein Haus manchmal mehr über ein bestimmtes geschichtliches Ereignis erzählen als ein Buch? Die Züricher Professorin Uta Hassler hat einen ganz eigenen Blick auf den Denkmalschutz. Im StZ-Interview redet sie über den mangelnden Mut von Politikern, über die Interessen von Immobilienfonds und über die Vermarktung von Geschichte.
Frau Hassler, wieso ist der Erhalt historischer Bauten eigentlich so wichtig? Man könnte doch sagen, es reicht aus, wenn man Geschichte in Büchern nachliest.
Es braucht Artefakte, die Erinnerung ermöglichen. Bauwerke sind eine wirkmächtige Überlieferung von Geschichte. In Europa besitzen wir ein langes Kontinuum von Baugeschichte – es beginnt vor den Römern und reicht bis in die Gegenwart.

Warum ist es Ihrer Meinung nach von Bedeutung, sich anhand von Bauten erinnern zu können?
Die Erforschung der großartigen Leistungen der Bau- und Kunstgeschichte lehrt uns immer wieder Neues über die Wissensgeschichte des Bauens und die Bautechnikgeschichte – dazu ist das Studium der Bauwerke unabdingbar. Für jede Kultur ist es wichtig, dass sich die Menschen an die Leistungen vorangegangener Generationen erinnern können, dafür braucht es materielle Zeugnisse. Komplexität, Dichte und Vielfalt des historischen Bestands sind auch große immaterielle Werte.

Das sagen Politiker in ihren Sonntagsreden auch. Aber im Zweifelsfall gerät der Denkmalschutz unter die Räder.
Tatsächlich verlieren wir Jahr für Jahr eine große Menge an Substanz, die historisch und als Kapital wertvoll ist. Die Verluste betreffen nicht nur die außergewöhnlichen Bauten – es ist auch der breite und oftmals technisch und handwerklich sehr solide Bestand „guten Durchschnitts“, der zum Nachteil verändert oder abgerissen wird.