In München droht das Kultusministerium, das Memorial von Michael Jackson zu entfernen. Grund dafür sind Auseinandersetzungen zwischen Fan-Gruppen, der gelegentlich sogar handgreiflich gewesen sein soll.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Neuerdings kann man virtuell mit der Kamera über den Père Lachaise gehen, den 70 Fußballfelder großen Pariser Friedhof. Wer es aber genau wissen will, muss sich doch selbst aufmachen, wie immer im richtigen Leben: Balzac, Proust, Chopin, Colette, Piaf – sie sind alle hier. Und gleich ums Eck von Oscar Wilde, dessen Grabstein nicht mehr geküsst werden darf (Obacht: Aufsicht!), geht es zu Jim Morrison, dem vielleicht ersten Popkünstler, der wirklich nicht sterben durfte, als er tot war. Von 1971 an bis heute pilgern jeden Tag Massen an sein Grab, wie zu Falco am Wiener Zentralfriedhof. „Der Tod“, stand vor der Renovierung des Morrison-Gedenksteins in Paris als Graffito auf etlichen umliegenden Ruhestätten, „macht aus uns allen Engel“. Wer hierher kommt, horcht auf den Flügelschlag.

 

Michael Jackson, der König des Pop, wie die Leute sagten, ist 2009 im Forest Lawn Memorial Park in der Nähe von Los Angeles beerdigt worden. Man kommt da nicht hin, wenn man nicht zur Familie gehört, auch nicht virtuell. Jacksons Gemeinde muss sich also irgendwie behelfen, und in München hat sie das auf entschlossene Art und Weise getan.

Wie Jackson hatte auch di Lasso eine schöne Stimme

Gleich nach seinem Tod fanden sich ein paar Frauen ein, die Blumen und Kerzen aufstellten auf dem Münchner Promenadenplatz, der dem Haupteingang des Hotels Bayerischer Hof gegenüberliegt. Jackson hatte dort gerne gewohnt, wenn er in München war, sonst gab es keine Anknüpfungspunkte in der Stadt – also hier.

Erste Arrangements fanden sich wieder auf dem Sockel einer Statue, die den Korpus des Komponisten Orlando di Lasso bereits seit 150 Jahren in voller Größe repräsentiert. Für Jacksonianer ist das ganz interessant. Wie Jackson nämlich war auch Orlando di Lasso aus dem belgischen Mons, heuer Europäische Kulturhauptstadt, ein Chorknabe mit ausnehmend schöner Stimme. Später wurde er römischer Kapellmeister, schließlich 1563 Chef des Hoforchesters in München. Herzensbayer blieb er bis ans Ende seiner Tage. Er war – auch dies eine Parallele – ein Komponist und Vokalartist, der Kontraste liebte: himmelhoch jauchzend, tödlich betrübt. Und schon auch süßlich mitunter.

Verwaltung übersah die Huldigungsstelle bis zuletzt

So betrachtet, hätte die Gedenkstätte für Michael Jackson, zu der sie vor fast sechs Jahren über Nacht wurde, an keinem besseren Platz entstehen können. Jetzt ist sie in Gefahr.

Die Stadt München und der Freistaat, muss man sagen, hatten sich bisher im Umgang mit der natürlich nicht genehmigten posthumen Huldigungsstelle zum gemeinsamen toleranten Übersehen entschlossen. Wie keiner die Surfer aus dem Eisbach hinterm Haus der Kunst holt, nur weil’s verboten ist, mochte auch zum Michael-Jackson-Memorial lange Zeit die Verwaltung nicht Nein sagen, zumal die Stätte stets außerordentlich gepflegt wurde.

Anders als bei Morrison in Paris kam noch nicht mal jemand zum Kiffen. Aufregung gab es lediglich, als – ironischerweise im Auftrag der Stadt – der britische Künstler David Shrigley den Jackson-Altar nebenan auf dem Promenadenplatz fast identisch nachbaute, ihn jedoch dessen Affen Bubbles widmete. Shrigley fand, man solle mehr über Denkmäler und deren Sinn diskutieren, die „Denkmalfeen“ fühlten sich hoch genommen. Zwei Monate später war das Bubbles-Memorial wieder weg.

Fans streiten sich um Fotos und Blumen am Denkmal

In jüngster Zeit aber ist, wiederum hauptsächlich unter Frauen, eine Art von Zickleinfankrieg um die Bewirtschaftung der Stätte entbrannt. Fotos wurden entfernt, Blumen abgeknickt, und einige sollen sogar handgreiflich geworden sein. Seitens der Stadt ist die Rede davon, dass schon auch mal Glas geflogen sei respektive den einen Fans fehlte, was die anderen nicht abgehängt haben wollten.

Die Zankereien kamen inzwischen auch dem Kultusministerium zu Ohren, das das Memorial bisher geduldet hatte. Kultusminister Ludwig Spaenle, ein Mann, der gerne den Ausgleich personifizieren würde, hat nun eine „letzte Warnung“ ausgesprochen. Es habe Ruhe am Objekt zu herrschen. Krachschlägern aller Arten in Erinnerung gerufen sei deswegen das vorbildliche Verhalten von Gedenkstättengängern, praktisch beschrieben von Wolf Biermann: In „Der Hugenottenfriedhof“ pilgert ein Paar häufig zu Bert Brechts Berliner Grab, denkt sich was dabei, küsst sich anschließend – und singt: „Wie nah sind uns manche Tote, doch wie tot sind uns manche, die leben. . .“ Da kann man echt ins Grübeln kommen.