Am Denkort vor der Nürtinger Kreuzkirche wird im Wechsel Opfern und Leidtragenden des Nationalsozialismus gedacht. Aktuell wird an das Leben der polnischen Zwangsarbeiterin Genowefa Beck erinnert.

Nürtingen - Die polnische Zwangsarbeiterin Genowefa Beck hat bis zu ihrem Tod im Jahr 2012 in Nürtingen gelebt. Von den Nationalsozialisten war sie 1940 von ihrem Geburtsort Janovice nach Deutschland verschleppt worden und nach dem Kriegsende geblieben. Ihre Eltern waren im Konzentrationslager Auschwitz ermordet worden, einer ihrer Brüder starb in einem Gefangenenlager in Hamburg. Genowefa Beck, geborene Krankowska, ist der aktuelle Denkort vor der Nürtinger Kreuzkirche gewidmet. An diesem erinnern die Gedenkinitiative Nürtingen und die Stadt im Wechsel an Opfer und Leidtragende des Nationalsozialismus.

 

Zwangsarbeit bei Bauern

Die junge Genowefa Krankowska wurde nach ihrer Deportation gezwungen, bei verschiedenen Bauern im Kreis Crailsheim zu arbeiten. Nach dem Kriegsende am 8. Mai 1945 blieb sie noch acht Tage bei einem Landwirt, bis dieser enteignet und die damals 22-Jährige vorübergehend mit Leidensgenossen in einer verlassenen Kaserne untergebracht wurde.

Dort lernte sie einen Landsmann kennen, den sie heiratete und mit ihm zwei Kinder bekam. Doch er verließ sie schon während der zweiten Schwangerschaft. Mit dem Handgepäck und ihren Kindern ging sie zunächst nach Ludwigsburg zurück und zog schließlich nach Nürtingen in die Baracken im damaligen Mühlwiesenlager – etwa dort, wo sich heute die Realschulen befinden. Als Putzfrau und Gärtnerin hielt sie sich und die Kinder über Wasser. Erst 1959 wurde den Dreien eine Wohnung in der Braike zugeteilt. Ein Jahr später heiratete sie ein zweites Mal und hieß fortan Beck. Nur weil ihr Mann Deutscher war, erhielt sie die deutsche Staatsbürgerschaft.

Entschädigung wurde nie gezahlt

Genowefa Beck arbeitete bei Metabo und als Akkord-Büglerin in einer der vielen Strickereien, die es damals noch in Nürtingen gab. Nur ein einziges Mal reiste sie in ihre Heimat nach Polen, wo sie nur noch auf wenige Familienangehörige traf, obwohl sie einst die jüngste von elf Geschwistern war. Nach dem Tod ihres Mannes lebte Genowefa Beck noch einige Jahre in der Braike, ehe sie 2004 in das Dr.-Vöhringer-Heim, eine Nürtinger Pflegeeinrichtung, zog. Dort starb sie im Jahr 2012. Eine Entschädigung für ihre Zwangsarbeit hat Genowefa Beck nie erhalten.

Über das Leben der Frau weiß die Gedenkinitiative gut Bescheid. Denn im Jahr 2007 hatte Larissa Vinçon, eine damalige Schülerin des Hölderlin-Gymnasiums, nach langen Gesprächen mit der damals 84-Jährigen einen Artikel über deren auch von viel Leid geprägtes Leben verfasst.