Eine Feldschlacht auf offener Bühne: Ein treuer Beamter des Landrats widerspricht dem Ludwigsburger OB Werner Spec mutig in Sachen Stadtbahn. Der wird laut – und muss am Ende doch einlenken.

Ludwisburg - Einen solchen Schaukampf hat es in der Stadtgeschichte, wenn überhaupt je, dann lange nicht gegeben. Der Konfrontationskurs von OB Werner Spec beim Stadtbahn-Thema hat die Kommunalpolitik erschüttert, so sehr dass sogar die ewigen Grabenkämpfe zwischen Anhängern und Gegnern verstummen. Der Rathauschef tobt im Bauausschuss und droht, einen Beschluss der Stadträte nicht umzusetzen – doch am Ende fordern alle Fraktionen das Stadtoberhaupt auf, einen Konsens mit Landrat Rainer Haas zu finden. Ein Drama in fünf Akten.

 

Akt I – Disput

So viel Widerspruch hat Werner Spec in seinem Rathaus lange nicht gehört. Er kommt von Heiner Pfrommer, der Dezernent im Landratsamt ist und auch für Verkehr zuständig. Er ist auf Einladung von Spec in der Sitzung. Wie berichtet, stellt der OB 13 zwingende Bedingungen an den Landkreis, sonst will er die weiteren Planungen für die Stadtbahn blockieren. Es kommt zu einem intensiven Wortgefecht.

„Wieso werden plötzlich Themen, die Bestandteil der Einigung aller Partner am 24. Oktober im Verkehrsministerium waren, wieder in Frage gestellt?“, fragt Spec immer wieder. Und: „Das kommt mir vor wie Salamitaktik. Das ist ein Schlingerkurs.“ Doch Heiner Pfrommer widerspricht, und das qualifiziert. Punkt für Punkt kann er belegen, dass Spec’ Forderungen in wesentlichen Punkten nicht von dem Kompromisspapier gedeckt sind. Und auch nicht von einem Protokoll des Treffens – das dieser Zeitung vorliegt.

Ein Dialog steht dafür sinnbildlich.

Spec: „Der Landrat hat zugesagt, 50 Prozent der Kosten für Schnellbusse zu übernehmen. Wieso gilt das nicht mehr?“

Pfrommer: „Nein, das hat er nicht zugesagt. Dabei ging es um die Stadtbahn.“

Spec: „Das war Konsens bei allen Beteiligten beim Treffen im Verkehrsministerium, wieso weichen Sie davon ab?“

Pfrommer: „Das steht nicht in der Vereinbarung und auch nicht im Protokoll.“

Spec: „Also, äh, ich habe notiert: Der Landrat hat das später bei einem Gespräch am 7. November mir gegenüber zugesagt.“

Pfrommer: „Nein, Herr Oberbürgermeister, das lasse ich mir nicht unterstellen. Das stimmt einfach nicht.“

Akt II – Starre Fronten

Der Rathauschef agiert wie jemand, der der festen Überzeugung ist, als einziger die Wahrheit zu kennen. Wird dies in Frage gestellt, wird er laut. Spec wiederholt seinen Vorwurf, immer wieder. Es geht um Fußnoten und Unterpunkte, selbst interessierte Zuhörer können kaum folgen. Doch Heiner Pfrommer lässt sich nicht einschüchtern: „Wir wollen gerne mit Ihnen über all die offenen Punkte reden, aber Sie können doch diese nicht einfach zur Bedingung erklären.“

Der Ludwigsburger Baubürgermeister Michael Ilk, der sonst die Sitzungen des Bauausschusses leitet, blickt drein, als wäre er Gast einer Beerdigung. Seit Monaten versucht er, die Stadtbahndebatte zu versachlichen. Doch die Sachebene geht im Getöse dieser Feldschlacht unter. „Ist das der richtige Weg, hier über solche Details zu reden?“, fragt Heiner Pfrommer – und erhält Beifall.

Akt III – Deeskalation

Die Stadträte beruhigen die Lage, fraktionsübergreifend. „Wir brauchen eine breite Mehrheit“, sagt Reinhold Noz, CDU-Fraktionsvize. Er signalisiert Kompromissbereitschaft in einigen Punkten und Formulierungen. Die Grünen-Rätin Christine Knoß wird nahezu staatsragend: „Es sind Gespräche notwendig. Verständigung hat mit Verständnis zu tun.“ Sogar der sonst so entscheidungsfreudige Freie-Wähler-Rat Andreas Rothacker will nicht einfach über Spec’ Vorlage mit seinen 13 Ultimaten abstimmen. Es droht eine Niederlage, weil sich die Einzelstadträte Elga Burkhardt (Lubu) und Harald Lettrari (parteilos) dem Gegenantrag der SPD anschließen: Darin steht ein Bekenntnis zum Stadtbahn-Kompromiss, die Streitpunkte sollen später geklärt werden. Es droht ein Patt: Mit der Stimme des OB, der auch im Ausschuss abstimmen darf, herrscht Stimmengleichheit, acht zu acht.

Akt IV – Eskalation

Ein Kompromiss ist greifbar. Auch Dezernent Heiner Pfrommer setzt auf Dialog. Doch als der SPD-Stadtrat Dieter Juranek eine Zwischenfrage stellt, explodiert Spec geradezu. „Was Sie hier sagen, geht völlig an der Sache vorbei!“, poltert er. Und weiter: „Warum soll ich wieder in Verhandlungen treten, wenn von Absprachen abgewichen wird?“ Der SPD-Fraktionschefin Margit Liepins schneidet Spec das Wort ab, Heiner Pfrommer darf nichts mehr sagen, er schüttelt den Kopf.

Doch einfach zurückziehen wollen Grüne und SPD ihren Antrag nicht, sie fordern eine Abstimmung. Der OB wählt die nächste Eskalationsstufe: „Wenn Sie das heute beschließen, werde ich von meinem Veto-Recht Gebrauch machen, weil es zum Nachteil der Stadt wäre.

Nun hat ein Oberbürgermeister zwar das Recht, bei rechtswidrigen Beschlüssen Widerspruch einzulegen. Wählt er dieses Mittel aber, weil er lediglich „Nachteil für die Stadt“ fürchtet, hätte das Veto nur aufschiebende Wirkung – und müsste vom Regierungspräsidium geprüft werden. Ein Erfolg in diesem Fall: zumindest fraglich.

Akt V – Debattenende

Sogar die Stadtbahnskeptiker wie CDU-Fraktionschef Klaus Herrmann fordern den OB auf, noch einmal mit dem Landrat zu verhandeln. Der Einzelstadtrat Harald Lettrari, der mal „Republikaner“ war, aber zunehmend linksliberal tickt, appelliert: „Begraben Sie das Kriegsbeil! Schreiben Sie nicht in Briefen vom ‚lieben Rainer und lieben Werner’ und beschießen sich dann mit Pfeilen!“

Werner Spec reagiert, wie nur Werner Spec reagieren kann: Er lässt einfach gar nicht abstimmen. „Ich lade den Landrat und die anderen Partner noch mal zum Gespräch. Wenn wir so verfahren können, danke ich für die Beratung.“ Erstaunte Gesichter, Spec tritt ab. Ende der Debatte.