Eigentlich wollte der Pfarrerssohn Denzel Washington Journalist werden. Heute ist er ein gefeierter Schauspieler. Er bekommt die Rollen, die ihn interessieren. Vorurteile begegnen ihm keine mehr, erzählt er im Gespräch mit StZ-Filmredakteur Thomas Klingenmaier.

Stuttgart - Eigentlich wollte der Pfarrerssohn Denzel Washington Journalist werden. Während des Studiums aber entdeckte er den Spaß an der Schauspielerei. Zwar begann seine Karriere vor der Kamera 1974 mit einer Kleinstrolle als Verbrecher, aber danach hat er lange gut integrierte Typen gespielt. Seit einigen Jahren sind seine Filmfiguren schwerer einzuschätzen. In „Flight“ verkörpert er beispielsweisen einen Linienpiloten, der kokst und säuft.

 

Herr Washington, sind Sie mit einem mulmigeren Gefühl als früher ins Flugzeug nach Europa gestiegen?
Nein, überhaupt nicht. „Flight“ ist doch nur ein Film gewesen.

Sie halten das völlig getrennt? Filme haben für Sie nichts mit der Wirklichkeit zu tun?
Ich schließe gerne ab mit Filmen nach den Dreharbeiten, ich lasse die Geschichten hinter mir. Ich habe eben einen ganz anderen Menschen gespielt, in diesem Fall einen Piloten, der tatsächlich ein schweres Alkoholproblem hat.

Die Geschichte vom Untersuchungsverfahren gegen den Trinker im Cockpit enthält eine fast utopische Komponente: Keiner spielt die Hautfarbenkarte. Niemand macht unterschwellig Stimmung gegen den schwarzen Piloten, und der Pilot blockt das Verfahren nicht als rassistisch ab. Wäre ein Prozess ohne Untertöne in den USA heute möglich?
Unser Film hat doch überhaupt nichts mit Hautfarben zu tun. Es geht um Individuen, es wird im Drehbuch überhaupt nichts darüber gesagt, wie der Mann aussieht oder welcher Gruppe der Bevölkerung er angehört. Wichtig an ihm ist sein Alkoholismus. Es geht überhaupt nicht um Rassismus.

Spätestens bei den Oscars ist dann aber doch wieder von Hautfarben die Rede. Es wird genau und enttäuscht Buch geführt, wie viele, besser gesagt, wie wenige afroamerikanische Kreative nominiert oder gar ausgezeichnet werden. Wie lange wird das Ihrer Meinung nach noch dauern?
Das ist Ihr Blick auf die Dinge. Ich glaube, Sie liegen da völlig falsch. Von wem wird denn gezählt und kritisiert? Von Menschen wie Ihnen, die darüber schreiben. Ich selbst war sechsmal für einen Oscar nominiert. Denken Sie an Jamie Foxx, Forest Whitacker, Morgan Freeman, Halle Berry und noch viele andere.

Ihre Rollenwahl hat einen starken Wandel durchgemacht. Früher haben Sie Saubermänner gespielt, nette, anständige Kerle. Warum tragen inzwischen die meisten Ihrer Figuren sehr viel mehr von der dunklen Seite der Macht in sich?
Früher sind mir düstere Charaktere erst gar nicht angeboten worden. Es gibt eben noch immer das Festlegen auf einen Rollentyp in Hollywood, das Typecasting. Aber seit meinem korrupten Polizisten 2001 in „Training Day“ habe ich das hinter mir.

Die einst abfällig belächelten Fernsehserien haben zu den besten Produkten Hollywoods aufgeschlossen. Wäre es für einen Star Ihres Formats mittlerweile möglich, ohne Reputationsverlust in einer der großen Kabelserien mitzuwirken?
Diese Frage stellt sich für mich nicht, nicht zu diesem Zeitpunkt meiner Karriere. Ich habe keinen Lust darauf. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, fünf Jahre lang dieselbe Figur zu spielen.

Am Samstag sind Sie aber im Fernsehen in „Wetten, dass . . ?“ aufgetreten. Das Showkonzept wird hierzulande mittlerweile heftig kritisiert: als zu schwerfällig, zu abgestanden, zu schwatzhaft. Wie hat es Ihnen denn gefallen?
Ich fand das Altmodische des Konzepts sehr rührend. Das ist tatsächlich ein Showformat aus einer anderen Zeit. Es lässt ganz viel Raum für diese ausgefallenen Wetten, für den jungen Mann etwa, der aufs Gramm genau benennen kann, wie viel Flüssigkeit sich in einer Flasche befindet, nur anhand des Plopp-Geräusches, wenn er seinen Finger aus dem Flaschenhals zieht. Fantastisch! Das hat mich an die Fernsehshows aus meinen Kindertagen erinnert. So etwas haben wir den USA gar nicht mehr.