Das einstige belarussische Dorf Malyj Trostenez ist kaum bekannt. Doch dort befand sich eines der größten Vernichtungslager der Nazis. Eine Ausstellung im Ludwigsburger Staatsarchiv dokumentiert die Kriegsverbrechen.

Ludwigsburg - Deutsche Offiziere, halb verhungerte Gefangene und Leichenberge: Bei Kriegsende wurden viele Fotos, die die Gräuel der Nazis offenbaren, vernichtet. Im Fall des sogenannten Straflagers Malyj Trostenez ist das den flüchtenden SS-Bataillons jedoch nicht gelungen. Außerdem haben russische Einheiten schon 1944 die Kriegsverbrechen im heutigen Belarus dokumentiert. Dass der Name des Ortes den meisten Deutschen dennoch unbekannt ist, habe mit dem Kalten Krieg zu tun, meint Elfriede Samo vom Förderverein Zentrale Stelle. Jetzt ist eine Ausstellung im Ludwigsburger Staatsarchiv zu sehen, die von dem Ort erzählt, wo vermutlich mehr als 200 000 Menschen ermordet worden sind.

 

Bei einer Volkszählung im Jahr 1941 wurden in Belarus 4,5 Millionen Menschen registriert. Bei der nächsten Zählung nach dem Krieg waren es zwei Millionen. Das Volk, das heute gegen seinen diktatorischen Staatschef Alexander Lukaschenko auf die Straße geht, hatte besonders unter der deutschen Besatzung zu leiden. Die Internierungen und der Massenmord waren Teil des Vernichtungskriegs gegen Russland. Die Ermordeten waren in der Mehrzahl Juden.

„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“

Viele davon waren aus Tschechien, Österreich oder auch aus Württemberg nach Malyj Trostenez deportiert worden. Man hatte ihnen vorgegaukelt, sie könnten sich dort eine neue Existenz aufbauen.

Die Ausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez“ zeigt auch, dass es abseits des Lagers einen Ort gab, an dem Massenerschießungen vorgenommen wurden. Aber auch, dass die SS die Menschen in Lastwagen sperrten, in die dann die Abgase eingeleitet wurden. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung zitierte Barbara Traub von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg hierzu einen Vers aus Paul Celans Gedicht „Todesfuge“: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland/er ruft, streicht dunkler die Geigen, dann steigt ihr als Rauch in die Luft.“

Auch wenn die Kontakte von EU-Nationen zur politischen Spitze in Belarus derzeit gekappt seien, die auf den untergeordneten Ebenen funktionierten weiterhin, versicherte Samo. Auch bei der Bevölkerung in Belarus habe es in den letzten Jahren eine Sensibilisierung in Bezug auf eine Erinnerungskultur gegeben – ebenso wie in Tschechien, der Slowakei oder Österreich, von wo aus 1941/42 sehr viele Juden nach Malyj Trostenez deportiert worden waren – in jener Zeit ein kleines Dorf etwa elf Kilometer südöstlich von Minsk, heute ist es ein Stadtteil der belarussischen Hauptstadt.

Verbrechen werden aufgearbeitet

Seit mehr als zehn Jahren versucht ein Team aus deutschen, belarussischen, österreichischen, tschechischen und slowakischen Historikern die von den Nazis dort verübten Verbrechen aufzuarbeiten. Inzwischen gibt es auch am Ort, an dem sich das Lager befand, ein Denkmal zur Erinnerung an die Ermordeten. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind auch in die Wanderausstellung eingeflossen, die mittlerweile bereits in 30 europäischen Städten gezeigt worden ist. Unterstützt wurde die Schau, in der auch in Filmsequenzen die Aussagen von Überlebenden zu sehen sind, von der Internationalen Bildungs- und Begegnungsstätte Johannes Rau Minsk (IBB) und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.

Wie zynisch die Nazis vorgegangen sind, zeigt auch ein Führerbefehl vom 13. Mai 1941, den die Ausstellungsmacher ins Zentrum des Raumes gestellt haben: „Für Handlungen, die Angehörige der Wehrmacht und des Gefolges gegen feindliche Zivilpersonen begehen, besteht kein Verfolgungszwang, auch dann nicht, wenn die Tat zugleich ein militärisches Verbrechen oder Vergehen ist.“

In Belarus kämpfte die Wehrmacht auch gegen russische Partisanen. Um diese zu treffen, wurden auch ganze Dörfer ausgehungert. Dennoch ist es den deutschen Besatzern bis zum Kriegsende nicht gelungen, den Widerstand zu brechen.