Konsequenter als jeder andere griff er auf die Experimente des Expressionismus zurück, obwohl er sich anderseits auf Autoren des 18. Jahrhunderts wie auf Zeitgenossen berief. Den Bewusstseinsstrom bei James Joyce begriff er als große Umwälzung des Erzählens, ließ das bloße Dahinströmen in den eigenen Texten aber nicht zu. Die Monologe seiner fast nur an den Namen unterscheidbaren Erzähler bestehen aus Splittern unterschiedlicher Gedankenschichten, mal kaleidoskopartig geordnet, oft zu den kryptischen Scherbenspielen zerborstener Spiegel gelegt.

 

In seinen Sätzen bewahrt er Werbe- und Mediensprache auf, Alltagsgeraunze und Dialektformen, konfrontiert das mit Literaturzitaten, eigenen Vulgarismen und Provokationen und ständigen Freud’schen Elmsfeuern der Triebigkeit. In „Seelandschaft mit Pocahontas“ etwa (1953 entstanden), dem „Steinernen Herz“ (1956 erschienen) und bis hin zu „Kaff auch Mare Crisium“ (1960) entsteht so ein faszinierendes Konglomerat aus Kleinbürgerressentiment, Anarchistentrotz, Patriarchenpeinlichkeit, Hirnkometenglanz, Bildungshuberei, Denkmalstürzerwut, Natur- begeisterung, Sprachanalyse, Genialität und Taschenspielerei.

Dann aber verfängt und verbohrt sich der seit 1958 mit seiner Frau Alice in einer Klitsche in Bargfeld in der Lüneburger Heide Lebende in den eigenen Methoden, Besessenheiten und Gaukeleien. Im Großwerk „Zettels Traum“ will er seine von Freud abgeleiteten Theorien über Denken und Sprache vorführen, Edgar Allen Poe zergliedernd würdigen, seine ganzen alten Projekte von der Abrechnung mit deutschem Kleingeist über das bessere Leben vor der Folie des manisch Erlesenen bis hin zum verkniffenen Wüten den unvermeidlichen Verfall des Körpers weitertreiben.

Aber das in drei parallel zu lesende Spalten geteilte, als Typoskript gedruckte Buch wird eine jahrelang die Produktivkraft bindende Selbstkarikatur von Schmidt. Es gab Exegeten, die sich diesem Buch wie einer schwer zu enträtselnden Offenbarung widmeten – und viele enttäuschte, verwirrte, geschockte Leser. Im Nachhinein aber erscheint dieser Fehlschlag von bitterer Logik: Wer unter seinen Zeitgenossen hätte den 1979 gestorbenen Arno Schmidt entzaubern, ihm die Grenzen weisen können? Er musste das schon selbst tun.

Stuttgart -

Der Beamtensohn gab sich später gern als polymorphes Bildungswunder, als Neugierkrake in den Meeren der Naturwissenschaften, der Geistes-, Kultur-, Welt- und Landesgeschichte aus, aber den Absprung aus dem häuslichen Wohnküchenmief in ein geisteswissenschaftliches Studium hatte er nicht geschafft. 1934 hatte er eine kaufmännische Lehre bei einem Hersteller von Berufsbekleidung begonnen und war dort Lagerbuchhalter geblieben, bis er 1940 eingezogen wurde.

Das Schreibstubensoziotop hat er gehasst, aber mit Zahlen und Formeln, Kladden und Ordnungssystemen konnte er etwas anfangen. Schmidt gehörte nicht zu jenen Autoren die sich als Ankläger eines naturwissenschaftlichen Angriffs aufs Humane sahen, sondern pochte auf eine ältere Grenzziehung: hie Dichtung und Wissenschaft, dort die Dummheit der Fürsten und der Obskurantismus ihrer Hofkaplane.

Monologe aus Gedankensplittern

Konsequenter als jeder andere griff er auf die Experimente des Expressionismus zurück, obwohl er sich anderseits auf Autoren des 18. Jahrhunderts wie auf Zeitgenossen berief. Den Bewusstseinsstrom bei James Joyce begriff er als große Umwälzung des Erzählens, ließ das bloße Dahinströmen in den eigenen Texten aber nicht zu. Die Monologe seiner fast nur an den Namen unterscheidbaren Erzähler bestehen aus Splittern unterschiedlicher Gedankenschichten, mal kaleidoskopartig geordnet, oft zu den kryptischen Scherbenspielen zerborstener Spiegel gelegt.

In seinen Sätzen bewahrt er Werbe- und Mediensprache auf, Alltagsgeraunze und Dialektformen, konfrontiert das mit Literaturzitaten, eigenen Vulgarismen und Provokationen und ständigen Freud’schen Elmsfeuern der Triebigkeit. In „Seelandschaft mit Pocahontas“ etwa (1953 entstanden), dem „Steinernen Herz“ (1956 erschienen) und bis hin zu „Kaff auch Mare Crisium“ (1960) entsteht so ein faszinierendes Konglomerat aus Kleinbürgerressentiment, Anarchistentrotz, Patriarchenpeinlichkeit, Hirnkometenglanz, Bildungshuberei, Denkmalstürzerwut, Natur- begeisterung, Sprachanalyse, Genialität und Taschenspielerei.

Dann aber verfängt und verbohrt sich der seit 1958 mit seiner Frau Alice in einer Klitsche in Bargfeld in der Lüneburger Heide Lebende in den eigenen Methoden, Besessenheiten und Gaukeleien. Im Großwerk „Zettels Traum“ will er seine von Freud abgeleiteten Theorien über Denken und Sprache vorführen, Edgar Allen Poe zergliedernd würdigen, seine ganzen alten Projekte von der Abrechnung mit deutschem Kleingeist über das bessere Leben vor der Folie des manisch Erlesenen bis hin zum verkniffenen Wüten den unvermeidlichen Verfall des Körpers weitertreiben.

Aber das in drei parallel zu lesende Spalten geteilte, als Typoskript gedruckte Buch wird eine jahrelang die Produktivkraft bindende Selbstkarikatur von Schmidt. Es gab Exegeten, die sich diesem Buch wie einer schwer zu enträtselnden Offenbarung widmeten – und viele enttäuschte, verwirrte, geschockte Leser. Im Nachhinein aber erscheint dieser Fehlschlag von bitterer Logik: Wer unter seinen Zeitgenossen hätte den 1979 gestorbenen Arno Schmidt entzaubern, ihm die Grenzen weisen können? Er musste das schon selbst tun.

Stuttgart -