Andreas Eschbach zählt zu den bedeutenden europäischen Science-Fiction-Autoren. Dass er es werden konnte, verdankt er unter anderem einer höchst fiktiven Figur im All und einer Handvoll Kaninchenfutter.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

München - Der Durchbruch in die Riege der deutschen Bestseller-Autoren kam für Andreas Eschbach mit dem Roman „Das Jesus Video“, eine Geschichte über eine Zeitreise zu Christi Geburt. Sein erstes literarisches Werk allerdings war ein selbst geschriebenes Perry-Rhodan-Heft. Zum Jubiläumsband 3000 hat er ein 850 Seiten starkes Prequel geschrieben mit dem schlichten Titel „Perry Rhodan“.

 

Der SpaceX-Gründer Elon Musk will im Jahr 2023 mit einer Rakete Weltraum-Touristen zum Mond bringen. Haben Sie sich schon beworben?

Nein, wo kann man Karten kaufen?

Haben Sie Luft- und Raumfahrttechnik studiert, weil Sie von einem Flug in den Weltraum geträumt haben?

Es vermischte sich die Faszination von Science-Fiction und Abenteuern im All. Dann kam die große Enttäuschung. Es war alles Mathematik.

Sie waren damals schrecklich uninformiert?

Sonst wäre mir klar geworden, dass Leute, die Raketen bauen, da nicht selber einsteigen. Die Ingenieure wissen wahrscheinlich auch zu viel darüber, wie diese Sachen konstruiert sind und was alles kaputt gehen kann. Die, die in den Weltraum fliegen, waren eher Physiker.

Perry Rhodan führt die Menschheit zu den Sternen. In ihrem neuen Roman, „Perry Rhodan“, erzählten Sie seinen Werdegang zum NASA-Piloten Wie sind Sie vorgegangen?

Ich recherchiere meistens in zwei Phasen. Bei der ersten Phase, vorab, habe ich nur eine Grundidee und frage, was hängt alles an dieser Idee dran? Das bringt mich auf weitere Ideen, was alles passieren kann oder passieren muss. Beim Schreiben mache ich mir dann bei Wissenslücken Merker in den Text, die ich später recherchiere. Das ist die zweite Phase.

Dann überarbeiten Sie?

Das Schöne am Schreiben ist, dass es eine Kunstform ist, in der man bis zum Schluss alles immer noch ändern kann. Wenn Sie Musiker sind und Sie verspielen sich, ist der falsche Ton raus. Ein Schriftsteller dagegen kann jeden Mist, den er geschrieben hat, wieder herausstreichen, davon mache ich weidlich Gebrauch. Wobei natürlich immer noch genug Mist übrig bleiben kann.

Sie haben einmal von einer Transformationserfahrung gesprochen, die ein Autor beim Schreiben macht. Hat Sie das Schreiben des Perry-Rhodan-Romans verändert?

Man versteht oft erst ein paar Jahre später im Rückblick, ob ein Roman den eigenen Blick auf die Welt verändert hat. Was ich sagen kann ist, dass sich mein Blick auf die 60er- und 70er-Jahre, die ich als Kind erlebt habe, geändert hat, weil ich gezwungen war, mich in die amerikanische Bürgerrechtsbewegung, den Vietnamkrieg oder die Kubakrise zu vertiefen, das waren manchmal richtige Abgründe.

Können Sie mit dem Begriff Trivialliteratur etwas anfangen?

Ich versuche, nicht-triviale Unterhaltungsliteratur zu schreiben. Trivialliteratur ist Literatur, die entbehrlich ist. Man fügt der Welt nichts Neues hinzu, wenn man den 1385sten Vampir-Liebesroman schreibt. Und dann haben wir auch noch das Grundrecht des Lesers, dass er jedes beliebige Buch gut oder schlecht finden darf. Und es gibt weiß Gott viel zu lesen, so viel, dass es nicht mal ein Unsterblicher wie Perry Rhodan alles lesen könnte.

Haben Sie mal aus Versehen eine Hauptfigur umgebracht?

Nein. Aber solche Momente gibt es, in denen man denkt, das wäre jetzt eine coole Idee. Was einen selber überrascht, das wird auch den Leser überraschen. Wenn sich sozusagen der Staub wieder gelegt hat, dann ziehe ich mein Konzept hervor und frage, was ist jetzt anders? Das ist in etwa wie bei einer Urlaubsfahrt. Da wissen Sie, Mittwoch und Donnerstag sind Sie in der und der Stadt, aber wenn Sie eine interessant aussehende Straße sehen, dann sagen Sie vielleicht, lass uns doch mal da lang fahren. Das sind ja oft die interessantesten Entdeckungen.

Warum verzichten Sie auf explizite Gewaltdarstellungen?

Tue ich doch gar nicht. Wenn es was zu metzeln gibt, dann beschreibe ich das auch. Aber ich erzähle normalerweise andere Arten von Geschichten, vielleicht, weil sich meine Fantasie in anderen Bahnen bewegt.

Ich wage die These, dass Sie gerne auf den Showdown verzichten.

Nicht gerne, es muss sich anbieten. Das Denken, dass jede Geschichte einer gleichen Struktur folgen muss, und zwar der, die wir aus Hollywood her kennen, ist falsch. Denken Sie an ihr eigenes Leben, da haben Sie auch viele Dramen durchlebt, die anders verliefen.

Tja. . .

Ich wette, keines davon hat mit einem Showdown seinen Abschluss gefunden. Vielleicht wird ein Showdown am Ende einer Geschichte erwartet, aber ich mache gerne das Unerwartete. Meine Bücher enden nicht deswegen, weil mir das Papier ausgegangen wäre, oder weil mir nichts Anderes eingefallen ist, sondern weil ich es so wollte.

Das heißt aber auch, dass Sie am Anfang jeder neuen Geschichte wissen, wie sie endet.

Das weiß ich meistens. Was aber nicht heißen soll, dass mir beim Schreiben nicht noch etwas Besseres einfällt.

Denken Sie beim Schreiben an den Leser und den Verleger?

An die Verleger schon gar nicht. Verleger wissen nicht, was sie wollen. Es ist die Aufgabe des Autors, die Geschichte so zu erzählen, wie sie erzählt werden will. Es ist ihr ganz Eigenes. Geschichten beginnen immer mit einer Idee, die ein Keim ist, und dieser Keim entwickelt sich, ihm muss man folgen. Man darf ihn nicht in eine Form pressen, sondern muss neugierig sein, welche Form er sich geben will.

Wie lange brauchen Sie für ein Buch?

Im Schnitt etwas weniger als ein Jahr. Das hängt natürlich auch vom Umfang ab.

Sie leben in der Bretagne. Bleiben Sie im deutschen Sprachmedium?

Auf Französisch schreibe ich bloß Briefe ans Finanzamt. Außerdem haben französische Schriftsteller generell schwierigere Bedingungen als deutsche.

Ich dachte, die Franzosen lieben die Künste mehr als die Deutschen?

Das tun sie auch, aber sie bezahlen sie nicht besser.

Dann sind Sie nicht aus Steuergründen in die Bretagne gezogen?

Wer aus Steuergründen nach Frankreich zieht, der hat beim Rechnen nicht aufgepasst.

Gibt es einen Ideenaustausch zwischen Ihren Büchern und dem Perry-Rhodan-Universum?

Es ist ja das Gestaltungsprinzip der Serie, dass sich die Romane gegenseitig befruchten. Ich habe mal eine Kommandantin erfunden auf einem irdischen Raumschiff, die unablässig Pfefferminztee trinkt, weil sie von einem Planeten kommt, wo Pfefferminztee rar ist. Die Figur ging durch den ganzen Romanzyklus und kein Autor hat versäumt zu erwähnen, dass sie Pfefferminztee trinkt.

Ich dachte an die Nanotechnik.

Die Nanotechnik ist schon alt, auch die ganzen Konzepte über atomare Maschinen. Aus diesen Konzepten haben sich schon viele Science-Fiction Autoren bedient.

Sie haben mal geschrieben, Sie hätten von Heinz G. Konsalik gelernt. Was war das?

Von Konsalik und von Johannes Mario Simmel. Von Simmel kann man lernen, wie man die Handlung führt, was ein Cliffhanger ist und wie man die Ebenen miteinander verwebt. Bei Konsalik ist es eher das leidenschaftliche Schreiben. Es reißt einen mit, wobei ich immer noch nicht genau weiß, wie er das macht. Es hat mit seiner Sprache zu tun.

Oder hängt es an seinen Stoffen?

Gute Stoffe haben viele, und dann ist es trotzdem langweilig. Bei Konsalik geht es mir oft so, dass ich Zeit und Raum vergesse. Obwohl es manchmal richtig schlecht ist, es bleibt einfach spannend.

Wie machen Sie Ihre Romane spannend?

Einfach gesagt, versuche ich so zu schreiben, dass ich mich beim Schreiben nicht langweile. Wenn das passiert, wird es auch nicht langweilig für den Leser.

Wie sind Sie auf die Perry Rhodan Serie gestoßen?

Ein guter Freund von mir, mit dem ich den Schulweg teilte, hat mir eines Tages ein Heft gegeben, es war das Heft Nummer 11, „Mutanten im Einsatz“. Er hat diese Hefte gegen Kaninchenfutter eingetauscht, seine Eltern waren Landwirte. So durfte ich peu à peu seine bunt gemischte Heft-Sammlung lesen.

Was verdanken Sie der Serie?

Zumindest, dass ich zu schreiben angefangen habe. Da war ich zwölf. Ich dachte mir, so eine Heftserie könnte ich eigentlich auch mal machen. Da habe ich DIN-A4-Blätter gefaltet, in die Schreibmaschine eingespannt und angefangen zu schreiben. Wenn man acht Blätter faltet, dann bekommt man ein Heft, zum Schluss habe ich noch Umschläge drumrum gemalt. Das waren meine ersten Romane. Alles Originalfassungen. Die habe ich auch alle noch.

Wann werden die veröffentlicht?

Nach meinem Tod vielleicht?

Oft streben ihre Figuren nach Geld und mit Geld erkauftem Glück.

Ich habe oft ehrgeizige Figuren, die an ihrem Ehrgeiz zerbrechen, deren Wunschträume nicht erfüllt werden, keine Ahnung warum.

Träumt Perry Rhodan einen Traum?

Er entwickelt den Traum einer besseren Menschheit und ist überzeugt, dass das mit dem Aufbruch ins Weltall untrennbar zusammenhängt.

Glauben Sie das auch?

Vor 20 Jahren hätte ich eine klare Antwort gehabt. Heute bin ich skeptisch.