Mit dem Dolmetscher Johann Sebastian Bach kann man alle Barrieren, zumindest die meisten Sprachbarrieren, überwinden. Der chinesisch-amerikanische Musiker Yo-Yo Ma ha auf diesem Gebiet eigentlich nur gute Erfahrungen gesammelt – und ist Bachs Botschafter schlechthin.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Wenn es einen klassischen Cellisten gibt, an den selbst Menschen sich erinnern, die sonst nicht viel mit Musik verbinden, dann ist es wohl Mstislaw Rostropowitsch. Im November 1989, einen Tag nach der Öffnung der Mauer in Berlin, saß er im allgemeinen Trubel am Checkpoint Charlie auf einem Stuhl und strich sich – mit seelenruhigem Gesichtsausdruck – durch Johann Sebastian Bachs Cellosuiten. Rostropowitschs Verhältnis zu Diktaturen war leicht ambivalent. Die Sowjetunion hatte er fliehen müssen, näherte sich später im Leben aber zum Beispiel Potentaten in Aserbaidschan an, wo er in Baku geboren worden war. Gleichwohl ist er irgendwie immer der Mann geblieben, der einfach Cello und Bach spielte, damals in Berlin, und alles war gut – zumindest für einen Augenblick.

 

Als Solist immer schwereloser

Der chinesisch-amerikanische Cellist Yo-Yo Ma ist heute so alt wie Rostropowitsch damals war – ein bisschen über sechzig Jahre, und natürlich ist er berühmter als Rostropowitsch (der 2007 starb) es je sein konnte. Yo-Yo Ma hat nicht nur mit den großen Orchestern der Welt musiziert, sondern auch mit Bobby McFerrin und bei der Inauguratiosfeier von Barack Obama. Am liebsten jedoch ist auch Yo-Yo Ma mit Bachs Cellosuiten unterwegs, die er mittlerweile schon dreimal komplett eingespielt hat; dabei, kurz gesagt, immer freier werdend, schwereloser. Bach, sagt Ma, sei am Ende vielleicht das beste Gegenmittel zur grassierenden Angst in einer Welt, die in großen Teilen eine vierte industrielle Revolution durchmache. Er spreche immer noch alles an, was uns bewegt: Schmerz, Leid und Freude – die ganze Conditio humana.

Kultur heißt: Verständigung

Seit letztem Jahr ist Yo-Yo Ma auf einer Tournee unterwegs, die eine besondere Dimension hat. Stets stehen Bachs sechs Suiten auf dem Programm – und zwar in insgesamt 36 Konzerten, die ihn von China (Guangzhou) über San Antonio, New York und Wien bis Neuseeland (Christchurch) führen. Yo-Yo Ma, von jeher ein Mutmacher innerhalb der Musikszene, bleibt jedes Mal nach dem Auftritt für einen Aktionstag vor Ort, das heißt: Reden, reden, reden. Kultur bedeute: Verständigung, sagt Yo-Yo Ma, und mit dem Dolmetscher Bach, der alle Sprachen der Welt spricht, darf er hoffen, weltweit verstanden zu werden.