Von Stuttgart aus eroberte er die Ballettwelt: Der Choreograf William Forsythe wird an diesem Montag 70 Jahre alt. In unserer Bildergalerie gratulieren ihm fünf Weggefährten – von Marcia Haydée bis Eric Gauthier.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Wo verbringt einer wie William Forsythe seinen 70. Geburtstag? Klar, im Ballettsaal. „Er reist an diesem Tag an und probt dann tatsächlich noch am Nachmittag mit uns“, freut sich Christian Spuck, Direktor des Ballett Zürich, auf einen besonderen Gast. An diesem Montag, wenn der 1949 in New York geborene Choreograf seinen runden Geburtstag feiert, steht freilich nicht nur Arbeit an. Am Abend will William Forsythe mit seiner Familie in Zürich feiern.

 

Am 11. Januar wird sich Christian Spucks Kompanie mit einem dreiteiligen Programm vor dem Choreografen verbeugen, der Ballettgeschichte geschrieben hat. Mit „The Second Detail“ und einer überarbeiteten Version von „Approximate Sonata“ stehen zwei Stücke aus den 1990er Jahren auf dem Programm, die auch das Stuttgarter Ballett im Repertoire hat, zwei Forsythe-Klassiker, die mit der Geometrie des klassischen Tanzes spielen und die Tänzer an die Grenzen von Gleichgewicht und Beweglichkeit führen. „One Flat Thing, reproduced“ aus dem Jahr 2000 zeigt schließlich die Experimentierlust des Choreografen, der mit 20 Tischen das Eis einer Südpol-Expedition andeutet.

Raus aus dem klassischen Schema

William Forsythe Erkundungen brachten ihn weit über die Grenzen des klassischen Balletts hinaus, die Weichen dafür stellte nach einem ersten Engagement in Amerika John Cranko: Er holte Forsythe 1973 als Tänzer zum Stuttgarter Ballett. Von Deutschland aus - erst von Stuttgart, dann von 1984 an als Direktor des Balletts in Frankfurt, schließlich von 2005 bis zu seinem Abschied 2015 mit der Forsythe Company auch von Dresden aus - revolutionierte er den Bühnentanz.

So radikal wie er hat keiner an der neoklassischen Ästhetik und Balanchines Erfindungen gerüttelt. Forsythe holte den Körper aus dem klassischen Schema, bog und drehte an allen Achsen und Richtungen, zeigte, dass Tanzen mit Beinen und Kopf zu tun hat. So klassisch sein Stuttgarter Debüt, der Pas de deux „Urlicht“ 1976 noch wirkte, so flugs eilte Forsythe mit Stücken wie „Orpheus“ auch dem Verständnis des Publikums davon. Forsythes John-Ford-Inzestdrama „‘Tis Pity She’s A Whore“ habe 1980 in Stuttgart mit Zuschauerrufen wie „Hör auf, du Schwein!“ für einen Skandal gesorgt, erinnert sich die Tanzkritikerin Eva-Elisabeth Fischer. Vier Jahrzehnte später zählen Forsythes Meisterwerke wie „Herman Schmerman“ und „In the Middle Somewhat Elevated“ zum guten Ton jeder großen Ballettkompanie. Heute lehrt William Forsythe in Kalifornien und lebt mit seiner Frau, der Tänzerin Dana Caspersen, in New England.