Rainer Widmayer will als Co-Trainer des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC alles für den Klassenverbleib tun. Auch, wenn es gegen seinen alten Verein VfB geht.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart. Rainer Widmayer kann sich noch gut erinnern, wie das war. Damals, als der Vater seinen Bruder Jürgen und ihn in den alten VW-Käfer packte und von Renningen nach Stuttgart fuhr. Zum großen VfB ins Neckarstadion. Im Block X standen sie vor 40 Jahren, den billigsten Plätzen unter der Anzeigentafel. Dort haben sie gemeinsam gejubelt – und auch den Abstieg 1975 ertragen. „Da haben wir nach dem 2:2 gegen Werder Bremen schon sehr gelitten. Denn damit war eine Vorentscheidung im Abstiegskampf gefallen“, erzählt Widmayer. Jetzt will er nicht noch einmal leiden – und helfen, dass Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga bleibt.

 

In Widmayer, dem Vollblutschwaben und früheren VfB-Fan, -Spieler und -Trainer, müssten also zwei Fußballherzen schlagen. „Nein“, sagt der 47-Jährige, „ich bin bei Hertha angestellt und muss das für ein Spiel ganz klar trennen.“ Wohl wissend, dass zu Hause, wo der VfB immer eine Rolle gespielt hat, die emotionale Zerrissenheit größer ist, denn die persönliche Note macht das eminent wichtige Kellerduell am Freitagabend noch aufregender. Auf der einen Seite steht der Lieblingsclub am Abgrund zur zweiten Liga, auf der anderen Seite versucht der Sohn und Bruder in Berlin, seine Rettungsmission zu erfüllen.

Ein netter Empfang in Berlin

Doch bei der Hertha wissen sie, was sie an Widmayer haben: nicht nur einen loyalen, sondern einen ebenso leidenschaftlichen Co-Trainer. „Auf der Geschäftsstelle haben sich alle gefreut, als ich wiedergekommen bin“, sagt Widmayer. Was ihn darin bestärkt hat, den richtigen Entschluss gefasst zu haben, denn als am 5. Februar gegen zehn Uhr sein Telefon klingelte, da hat er mit vielem gerechnet, nur nicht mit Michael Preetz am anderen Ende. Am Abend zuvor war Widmayer noch in Köln gewesen, um sich mal wieder den VfB anzuschauen. Und dann fragte der Hertha-Manager an, ob er sich vorstellen könne, nach der Trennung von Jos Luhukay mit Pal Dardai die Mannschaft zu übernehmen.

Widmayer hat nicht lange überlegt und sich auf den Weg nach Berlin gemacht. „Ich bin dem Verein dankbar, dass er mir die Chance gegeben hat, wieder ins Fußballgeschäft einzusteigen“, sagt er. Mehr als zwei Jahre war er draußen, weil er sich nach der Zusammenarbeit mit Markus Babbel von diesem losgesagt hatte. Das Duo agierte beim VfB und in Hoffenheim – und auch bei der Hertha, samt Aufstieg und einer unschönen Trennung 2011 von Babbel.

Der Vertrag läuft bis zum So

Doch Widmayer durfte nun wiederkommen. Bis zum Sommer läuft sein Vertrag. Was danach geschieht, ist offen. Ein weiteres Engagement mit Dardai sei durchaus denkbar. „Die Aufgabenteilung ist sehr gut“, sagt Widmayer, der dem Ungarn gerne die Rolle in der ersten Reihe überlässt. Der frühere Abwehrspieler ist mehr der Arbeiter auf dem Platz, der Analytiker hinter den taktischen Entscheidungen, jedenfalls ein Mann, der für den Fußball lebt.

Auch beim VfB hatten sie vor Kurzem noch einmal darüber nachgedacht, ob sie Widmayer mit seinem Fachwissen und seiner hohen Motivation wieder einbinden, im Scouting- und Nachwuchsbereich. Doch daraus ist erst einmal nichts geworden. Er wohnt vorübergehend im Jugendinternat der Hertha und sagt: „Das hier ist die Hauptstadt. Wir wollen vielen Leuten Hoffnung geben.“ Und er selbst willsie verkörpern.