Kurze Geschichten können einem lange nachgehen. Die des italienischen Comic-Künstlers Manuele Fior beispielsweise. In „Die Tage der Amsel“ kommt er stets auf sehr wenig Platz auf den Punkt.

Stuttgart - Der Soldat Gabriel ist im Ersten Weltkrieg verrückt geworden, er hat auch versucht, sich die Kehle durchzuschneiden. Nun sitzt er in einer psychiatrischen Anstalt, aber die Ärzte und das Militär wollen ihn nach Hause zu seiner betagten Mutter abschieben: Er sei sowieso depressiv gewesen, das Militär und der Krieg trügen keine Schuld an seinem Zustand. „Die Geschichte von Gabriel C.“ basiert auf echten Krankenakten und ist die bitterste der über ein Jahrzehnt hinweg entstandenen zehn kurzen Arbeiten des Italieners Manuele Fior, die der Band „Die Tage der Amsel“ zusammenfasst. Nicht nur sie aber beweist, wie gut der hierzulande als Meister der Graphic Novel bereits Bekannte auch die Verknappung zu Comic-Kurzgeschichten beherrscht.

 

Klug und ironisch

Ob er in „Klassenfahrt“ in wenigen Bildern die große Lebenskrise einer Lehrerin entwirft, nebenher die Paris-Romantik abwatscht und einem auch noch Nebenfiguren mit großartigen Schnappschüssen ins Hirn ätzt oder ob er in der Geschichte „Der Maler“ auf nur einer Seite die Vorgeschichte eines weltberühmten Gemäldes klug und ironisch durchleuchtet, Fior begeistert und nutzt obendrein für jede Geschichte einen anderen Zeichenstil.

Auch die Titelgeschichte hat sofort überzeugende Momente, bleibt als einzige aber kryptisch. Wer den Band also ausgerechnet mit „Die Tage der Amsel“ anliest, sollte sich nicht abschrecken lassen: Dies ist ein Bruchstück aus der Welt von Fiors Graphic Novel „Die Übertragung“. Auch die sollte man kennenlernen.

Manuele Fior: Die Tage der Amsel.
Aus dem Italienischen von Carola Köhler. Avant-Verlag, Berlin. 104 Seiten, 22 Euro.