Krimihelden im Amerika der vierziger Jahre waren oft ruppige, zynische Kerle, die nicht mehr an den Sieg des Guten glaubten. Mit seinem Detektivstrip „Rip Kirby“ wagte Alex Raymond wieder Optimismus. Jetzt kann man den Klassiker neu entdecken.

Stuttgart - Irgendwas war faul mit dem Amerika, in das die siegreichen Helden des Zweiten Weltkriegs zurückkehrten. Von diesem nagenden Zweifel erzählten in Print und auf der Leinwand die Noir-Krimis, in denen die Großstädte vom Verbrechen durchseucht, die Liebesschwüre vergiftet und frustrierte Kriegsveteranen auf der schwierigen Suche nach ihrem Platz in der Friedensgesellschaft waren. Niemand hätte sich gewundert, wenn dem Comiczeichner Alex Raymond eine gallesaure Adaption dieser Noir-Themen aufs Papier gekommen wäre.

 

Denn der hatte sich im Februar 1944, da bereits ein Star seiner Zunft, zur Marineinfanterie gemeldet. Erst setzte er sein Zeichentalent im Informationsbüro der Ledernacken ein, dann wurde er auf eigenen Wunsch als Offizier in Kampfeinsätze im Pazifik geschickt. Raymond lebte also so vorbildlich wie die Helden der patriotischen Mutmach-Filme Hollywoods. Der Dank dafür? Als Raymond 1946 zurückkehrte, wollte ihm die Comic-Agentur King Features Syndicate, die Dutzende von Strips an Hunderte von Zeitungen verkaufte, seine wichtigste Erfindung, die höchst erfolgreiche SF-Serie „Flash Gordon“, nicht wiedergeben. Er habe seinen Zeichentisch schließlich aus freien Stücken verlassen, dort sitze nun ein anderer.

Kein bloßer Straßenkämpfer

Zusammen mit dem Autor und Redakteur Ward Green entwickelte Raymond umgehend die Privatdetektiv-Serie „Rip Kirby“, in der es durchaus mal Schattenspielereien wie im Kino bei „The Big Sleep“ und „Der Malteser Falke“ gab. Trotzdem wurde die Serie kein zynischer Abgesang auf Ideale und Kirby nicht der übliche Straßenkämpfer.

Der Patriot Raymond versuchte hier in bestechenden Bildern, das Nachkriegsamerika vom bösen Blick zurückzuerobern. Kirby war nicht der skeptische Außenseiter, der dem schönen Schein nicht traute und das Verbrechen nicht mehr als Ausnahme, sondern als Regel sah. Er war ein Verteidiger des amerikanischen Traums, der Gauner um Gauner kleine Hindernisse auf dem Weg zur besten Gesellschaft aller Zeiten aus dem Weg räumte.

Rückkehr des Klassikers

Der sensible Brillenträger Kirby war eher Kopfmensch als trinkfreudiger Raufbold, er löste Fälle durch Nachdenken, strebte nach bürgerlichen Verhältnissen und hatte eine feste Freundin statt einer gefährlichen Affäre nach der anderen. Raymonds Strip war stark von der Werbegrafik jener Zeit beeinflusst, wurde aber so erfolgreich, dass er selbst wiederum Werbung prägte.

Nach Raymonds Tod bei einem Autounfall im Jahr 1956 im Alter von nur 46 Jahren übernahm der Zeichner John Prentice die „Rip Kirby“, deren Held im Lauf der Jahrzehnte übrigens allmählich alterte. Erst mit dem Tod von Prentice 1999 endeten dann auch Kirbys Abenteuer. Im auf Klassiker spezialisierten Bocola-Verlag sind bereits zwei Bände einer prächtigen, chronologischen Werkausgabe erschienen, zwei weitere sollen noch in diesem Jahr folgen: spannende Post aus ganz anderen Zeiten.

Alex Raymond: „Rip Kirby“.
Bocola Verlag, Klotten. Bislang zwei Bände. Je 156 Seiten, 25,90 Euro.