Der Franzose Emmanuel Moynot bringt die Kriminalromane seines Landsmanns Léo Malet um den Detektiv Nestor Burma in Bilder. In der Stadtbibliothek wird er „Blüten, Koks und blaues Blut“ vorstellen. Der spielt ausnahmsweise nicht in Pariser Kaschemmen, sondern im sonnigen Cannes.

Stuttgart - Vielleicht böte das Cannes des Jahres 1946 einen schönen Anblick für Neuankömmlinge, es ist ja damals schon ein Lustort der Reichen. Aber als der Pariser Privatdetektiv Nestor Burma in Emmanuel Moynots Comic „Blüten, Koks und blaues Blut“ hier ankommt, quält er sich zerknittert aus dem Nachtzug, dann tappt er in dunklen und engen Bildern durch den Bahnhof, und als er endlich vor die Tür tritt, öffnet sich kein heiteres Panorama. Wir sehen, wie Burma sich panisch in den Dreck wirft, weil jemand schießt. Als der Detektiv endlich auf die schmucke Häuserfassade gegenüber blickt, ist das nette Örtchen bereits als Ort von Gefahr und Tod etabliert. Und Burma, wie so oft, ein wenig mitgenommen und verdreckt.

 

Emmanuel Moynot stellt „Blüten, Koks und blaues Blut“ (Schreiber & Leser, 74 Seiten, 18,80 Euro) an diesem Mittwoch um 19.30 Uhr in der Stadtbibliothek vor. Auf große Wiedererkennungseffekte des Namens dürfen die Veranstalter, auch das Institut français ist mit von der Partie, nicht hoffen. Im Comicland Frankreich ist das anders, da ist der 1960 geborene Moynot vom höchsten Comic-Adel mit der noblen Aufgabe der Traditionspflege beauftragt worden.

Der Krimi als Rettung

Der legendäre Jacques Tardi hat ihn zu seinem Nachfolger ernannt, und das ist nicht bloß blumig metaphorisch gemeint. Der 71-jährige Tardi hat fünf Romane Léo Malets um den Privatschnüffler Burma adaptiert. Die Fortsetzung der Reihe hat er Moynot anvertraut, der bereits fünf Burma-Comics vorgelegt hat – unter Übernahme von Tardis Stil und Figurenzeichnung, wobei allmählich Weiterentwicklungen sichtbar werden.

Auch der Name Léo Malet sagt deutschen Lesern sehr viel weniger als französischen. Malet (1909-1996) war mal ein Jungsurrealist in der Pariser Künstlerkneipenszenen der dreißiger Jahre, also auf dem besten Wege in Wahnsinn, Alkoholismus und Obdachlosigkeit. Aber er bekam die Kurve, er begann mit dem Schreiben von Kriminalromanen, was ihm eine solide Arme-Leute-Existenz ermöglichte. Zunächst galt Malets Schaffen auch in Frankreich als grober Plunder für die Ungebildeten, aber allmählich wurde er zum Kultautor.

Chronik der Pariser Viertel

Das lag nicht an den wirren Plots, mit denen auch Moynot seine liebe Mühe hat. Er habe stets ohne Vorplanung drauflos geschrieben, hat Malet bekannt. Aber nach drei Romanen um den Ich-Erzähler Burma, der als illusionsloser Genießer der einfachen Freuden durch eine Welt tappt, die zu verbessern er nicht vorhat, kam Malet die Erleuchtung. Nicht Burma war spannend, sondern die Milieus, durch die er sich bewegte. Und so begann Malet mit einer Stadtchronik, wollte einen Krimi in jedem Arrondissment von Paris ansiedeln.

Seine Bücher sind Fremdenführer durch eine untergegangene Welt, ein moderneres Gegenstück zu den Fotografien des Sonderlings Eugène Atget (1857-1927) , der besessen ein dahinschwindendes Paris von einst ablichtete, das Stadtschloss um Stadtschloss, Bruchbude um Bruchbude den Baggern des 20. Jahrhunderts zum Opfer fiel. Atget aber liebte nur die Häuser, ihm waren Fotos ohne störende Menschen die liebsten, während Malet auch die Typen und Untypen als Mark der Stadt begreift.

An dunklen Orten

Moynot setzt das um. In seinen Bildern sind die Gebäude, die Mode, die Inneneinrcihtungen wichtiger als die Handlung, ohne dass er den Blick auf sie lenken würde. Er tut so, als seien sie Nebensache. „Blüten, Koks und blaues Blut“ ist eine Ausnahme, weil Burma mal rauskommt aus Paris- vielleicht ist es gerade deshalb die schönste der bisherigen Malet-Adaptionen. Moynot hat Spaß an der neuen Szenerie, auch daran, dass Burma in so einem sonnigen Promenadenstädtchen doch wieder an dunklen Orten landet. Die ironische Sehnsucht nach der Halbwelt von einst dürfte auch Thema werden im Gespräch mit Stefan Dinter, der den Abend mit Moynot moderieren wird.

Lesung: 21. Februar, 19.30 Uhr, Stadtbibliothek am Mailänder Platz