Nach jahrelanger Fahrt von Rekord zu Rekord bricht der Gewinn von Daimler 2018 ein. Daimler ist weit entfernt vom hohen Anspruch, das Beste oder nichts zu liefern. Hausgemachte Probleme wie die Dieselmisere schaden dem Ruf des Premiumherstellers erheblich, meint Harry Pretzlaff.

Stuttgart - Im Februar jubelte Daimler beim Rückblick auf 2017 über Rekorde, Rekorde, Rekorde: Absatz, Umsatz, Gewinn – überall verbuchte der Stuttgarter Autoriese Bestwerte. Die Mitarbeiter konnten sich über eine Rekordprämie freuen. Doch jetzt geht es abwärts – und das Tempo der Talfahrt nimmt zu. Bereits zum zweiten Mal binnen weniger Monate musste der Autokonzern vor einer Woche eine Gewinnwarnung veröffentlichen. Dies zeugt nicht gerade von einer soliden Planung und einer weit vorausschauenden Vorsorge für möglichst viele Risiken. Bedenklich ist, dass bei weitem nicht nur unvorhersehbare politische Entwicklungen, wie der von dem völlig erratisch und ohne wirtschaftlichen Sachverstand handelnden US-Präsidenten Donald Trump angezettelte globale Handelskrieg Daimler zur erneuten Korrektur des Gewinnziels zwingen. Viele Probleme sind hausgemacht und schaden dem Ruf des Premiumherstellers erheblich.

 

Anders als BMW hat Daimler viel zu spät darauf geachtet, dass Dieselmotoren nicht nur unter realitätsfremden Bedingungen auf dem Prüfstand, sondern auch im realen Straßenverkehr möglichst wenig lungenschädliches Stickoxid ausstoßen. Wie die meisten Autobauer hatte Daimler die „Temperaturfenster“, bei denen die Abgasreinigung wirklich funktioniert, aus Kostengründen viel zu klein bemessen. Als das Bundesverkehrsministerium, das lange weggeschaut hatte, nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals von VW plötzlich aufwachte und das Kraftfahrtbundesamt genauer hinschaute, saßen auch die Stuttgarter plötzlich auf dem Sünderbänkchen. Hinzu kommt, dass Daimler aus Kostengründen für kompakte Modelle wie die A- und B-Klasse, die kaum Gewinn bringen, Dieselmotoren des französischen Partners Renault zukaufte, die im realen Straßenverkehr alles andere als sauber waren. All dies passt nicht zum bisher beim Absatz weltweit führenden Premiumhersteller, der den vom Gründer Gottlieb Daimler formulierten Leitspruch „das Beste oder nichts“ wie eine Monstranz vor sich herträgt und schadet dem Ruf des Premiumherstellers.

BMW will Daimler bis 2020 wieder vom Spitzenplatz verdrängen

Hinzu kommt, dass Daimler auch bei der Genehmigung der Motoren nach dem neuen und schärferen Abgas-Testverfahren WLTP hinterherhinkt. Gewiss, die EU-Kommission hat nach dem Bekanntwerden des VW-Abgasskandals auf die Tube gedrückt und die Einführung dieses realitätsnäheren Tests beschleunigt. Doch BMW hat es dennoch geschafft, seine Modelle rechtzeitig nach den neuen Regeln, die seit September Vorschrift sind, genehmigen zu lassen. Daimler muss dagegen Kunden vertrösten, weil die Wunschmodelle nicht rechtzeitig zertifiziert sind, muss mit Lieferproblemen kämpfen und Kunden mit großzügigen Rabatten ködern. Die Stuttgarter haben vor kurzem mitgeteilt, dass man dieses Problem mittlerweile im Griff habe, doch es bleibt abzuwarten, wie viele Kunden damit vergrault wurden und nun lieber bei der Konkurrenz einkaufen. BMW-Chef Harald Krüger hat Anfang des Jahres angekündigt, dass die Münchner bis 2020 Daimler von Platz eins verdrängen und wieder zum weltweit absatzstärksten Premiumhersteller aufsteigen wollen. Wenn die Stuttgarter so weitermachen wie in diesem Jahr, stehen die Chancen für Krüger nicht schlecht.

Hinzu kommt, dass Daimler in China, dem weltweit wichtigsten Markt, unter Druck geraten ist. In den vergangenen Jahren haben die Stuttgarter nach einer Schwächephase in China eine beeindruckende Aufholjagd eingeleitet. Doch der von US-Präsident Trump angefachte Handelskrieg führt dazu, dass Daimler höhere Zölle auf Wagen zahlen muss, die aus dem US-Werk Tuscaloosa eingeführt werden. Dies trifft vor allem ertragsstarke Geländewagen. Den durch die Zölle ausgelösten Kostenanstieg kann Daimler nicht voll in Form höherer Preise an die Kunden weitergeben, weil der Wettbewerb sehr scharf ist.

Im nächsten Jahr wird das Klima noch rauer

All dies führt dazu, dass der Daimler-Gewinn im Gesamtjahr einbrechen dürfte – und dies, obwohl das Unternehmen schon einen deutlichen positiven Ertragseffekt aus der Bündelung der Mobilitätsdienste mit BMW einkalkuliert hat. Die Allianz ist von den Wettbewerbsbehörden aber noch gar nicht genehmigt worden. Im nächsten Jahr dürfte der Wettbewerb noch rauer werden. Denn der ungewöhnlich lange konjunkturelle Aufschwung des Automarkts zeigt Schwächen. Zudem hat der Wettbewerber Audi, der sich durch den Abgasskandal, häufige Wechsel des Entwicklungschefs und eine ungeklärte Führungslage in eine verfahrene Lage manövriert hat, aus Verzweiflung einen Rabattkrieg angezettelt hat. BMW und Daimler können sich dem Preiskampf nicht entziehen. Darüber hinaus ist keineswegs klar, ob nicht auch auf Autoexporte in die USA Strafzölle eingeführt werden, denn US-Präsident Trump ist unberechenbar. Es gibt also viele Unwägbarkeiten, aber eines ist sicher: Neue Rekorde kommen bei Daimler so schnell nicht wieder in Sicht.