Der Datenskandal beim VfB Stuttgart Ende einer Affäre – oder doch nicht?

Die Zusammenarbeit zwischen VfB-Boss Thomas Hitzlsperger (rechts) und dem langjährigen Kommunikationschef Oliver Schraft ist beendet. Foto: images/Michael Weber

Mit der Entlassung von Oliver Schraft und Uwe Fischer hat der VfB-Vorstandschef Thomas Hitzlsperger den Datenskandal für abgeschlossen erklärt. Offene Fragen gibt es aber auch weiterhin – sie könnten gewaltige Sprengkraft haben.

Stuttgart - Ziemlich genau fünf Monate sind vergangen, seit die Datenaffäre ans Tageslicht kam – fünf Monate, in denen der VfB Stuttgart in die wohl schwerste vereinspolitische Krise seiner Geschichte geraten ist. Lang sind seitdem die Haare von Thomas Hitzlsperger geworden, was nicht nur am Lockdown der Friseure liegen dürfte, sondern auch daran, dass die wohl intensivste Zeit seines Berufslebens hinter ihm liegt. Jetzt aber, am Freitagnachmittag um 14 Uhr, soll das Schlimmste vorüber sein. „Das Erfreuliche ist, dass wir jetzt einen Schlusspunkt setzen und den Blick nach vorne richten können“, sagt Hitzlsperger.

 

Endgültig bestätigt hat sich, woran es seit Wochen keinen Zweifel mehr gab: dass die Weitergabe von Mitglieder- und Fandaten in sechsstelliger Zahl zwischen 2016 und 2018 „klar rechtswidrig“ war, wie der Vorstandschef der VfB AG berichtet. Die Folge: von Kommunikationschef Oliver Schraft und Marketingleiter Uwe Fischer, über deren E-Mail-Konten die Daten an einen externen Dienstleister geschickt worden sein sollen, hat sich der VfB bereits am Donnerstag getrennt.

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„Weitere arbeitsrechtliche Verantwortlichkeiten von Mitarbeitern gibt es auf Basis der Sachverhaltsermittlungen nicht“, sagt Hitzlsperger – was bedeutet: Rainer Mutschler, der damalige Projektleiter Ausgliederung, bleibt zumindest vorerst AG-Angestellter. Doch deutet der Vorstandschef an, dass auch in dieser Personalie nach einer Lösung gesucht werde: „Wir sind in einem offenen und ehrlichen Austausch, wie und ob wir im Sinne des Clubs weiter zusammenarbeiten wollen.“

Als weitere Konsequenz werde der VfB auf Anraten der Juristen umfangreiche Veränderungen beim Umgang mit dem Thema Datenschutz vornehmen. „Wir sind angehalten, in diesem Bereich besser zu werden“, sagt Hitzlsperger und verweist auf „professionelle externe Unterstützung“, die bereits engagiert worden sei.

Der Esecon-Abschlussbericht soll bald auf der VfB-Geschäftsstelle einsehbar sein

Als weiteren Beleg neuer Transparenz soll zudem der Esecon-Bericht unter Berücksichtigung des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte möglichst bald zur Einsicht für die Mitglieder auf der Geschäftsstelle zur Verfügung gestellt werden – ein Ansinnen, das auch Präsident Claus Vogt am Herzen liegt. „Alle, die daran interessiert sind, sollen hier herkommen können und sich das anschauen“, sagt Hitzlsperger – und will persönlich dafür sorgen, dass sich Verstöße gegen die Compliance (also die regeltreue Führung) nicht wiederholen können: „Das wird für mich in den nächsten Wochen und Monaten ein wesentliches Thema sein.“

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Also alles wieder gut beim VfB Stuttgart? Alles vergessen, was in jüngster Zeit passiert ist? So schnell dürfte es dann doch nicht gehen. Denn noch immer bleiben mehrere Fragen ungeklärt – nicht nur die Höhe des Bußgelds, das der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink in den nächsten Tagen verhängen wird.

Auch weiterhin windet sich Hitzlsperger nach Kräften bei der zentralen Frage, ob er sich eine konstruktive Zusammenarbeit mit Präsident Vogt vorstellen könne, mit dem er sich seit Ende vergangenen Jahres einen monströsen Machtkampf geliefert und der zuletzt seine Bereitschaft zur Versöhnung angedeutet hat. „Unsere persönliche Beziehung darf nicht mehr im Mittelpunkt stehen – es gibt genug wichtigere Dinge zu tun. Alles weitere entscheiden der Vereinsbeirat und die Mitglieder.“

Warum wurden Stefan Heim und Jochen Röttgermann freigestellt?

Rätselhaft bleibt vorerst auch, warum die beiden Vorstände Stefan Heim und Jochen Röttgermann bereits vor zwei Wochen im Schnellverfahren und ohne konkrete Begründung abberufen wurden. Nach Informationen unserer Redaktion hat ihr Aus nichts mit der Datenaffäre zu tun – aber womit dann? Diese Frage müsse der Aufsichtsrat beantworten, sagt Hitzlsperger, „wenn er dies kann und will“.

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Die Antwort, so glauben manche, führe womöglich zu einem Thema, das wie eine dunkle Wolke über dem VfB liegt und noch mehr Sprengkraft als die Datenaffäre haben könnte: die Abstimmung zur Ausgliederung am 1. Juni 2017. Warum damals mehr als 12 000 stimmberechtigte Mitglieder in der Mercedes-Benz-Arena waren, aber nur etwas mehr als 9000 Stimmen gezählt wurden – diese Frage wird immer lauter gestellt; dass in der Untertürkheimer Kurve 3000 Abstimmungsgeräte nicht funktioniert haben könnten – dieser Verdacht steht nach wie vor im Raum. Thomas Hitzlsperger kann im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ nicht entscheidend weiterhelfen: „Mir wurde die Erklärung gegeben, dass bei so einer Veranstaltung Leute auch kommen und gehen.“

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