Der von Rechtsradikalen herbeigesehnte, von der Politik gefürchtete „Wutwinter“ fand nicht statt. Aber wie konnte die Protestfantasie so einflussreich werden? Der Kommunikationsforscher Bernhard Pörksen über die Kraft des katastrophischen Denkens.

Die untergründige Macht von Katastrophenfantasien wurde mir zu Beginn der Pandemie im Jahre 2020 schlagartig klar. Ich war im Aufbruch in die USA, wollte im Silicon Valley forschen, konnte jedoch nicht reisen, weil es kein Visum gab. Die Grenzen waren dicht. Und so scrollte ich missmutig durch die Twitter-Timeline kalifornischer Autoren, stöberte in Lokalzeitungen nach Lageberichten. Und da war sie direkt vor meinen Augen, die gefühlte Katastrophe, geprägt von Gewalt, von Plünderungen, Schießereien. Ich stieß auf Fotos von langen Schlangen von Menschen, die sich vor Waffengeschäften bildeten. Entdeckte Bilder von leer gekauften Munitionsregalen. Ein Fünftel aller Ad-hoc-Käufer, so machte eine Studie der Northeastern University klar, hatte noch nie zuvor eine Waffe besessen, war nun aber zu der Auffassung gelangt, dass es jetzt an der Zeit sei, sich zu schützen.