Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Der (später) berühmte Architekt Paul Schmitthenner hatte den Bau an den Rand von Badenweiler auf die grüne Wiese gesetzt. Ein schönes, schlichtes Landhaus mit einem riesigen Garten in exponierter Lage. Schmitthenner war seit 1918 Professor bei Paul Bonatz in Stuttgart an der Technischen Universität. Schmitthenner und Bonatz waren beide Lothringer, und beide machten später zeitweise gute Geschäfte mit den braunen Machthabern, die René Schickele außer Landes vertrieben.

 

Der 1883 in Oberehnhein (heute Obernai) südwestlich von Straßburg geborene Elsässer – Sohn eines Deutschen und einer Französin – war als Journalist, Essayist und Romancier immer auch Pazifist. Eine seinerzeit schwierige Herkunft und Haltung zwischen allen Fronten. René Schickele studierte in Straßburg, München, Paris und Berlin Literaturgeschichte, Naturwissenschaften und Philosophie. Mit Otto Flake und Ernst Stadler gab er mehrere Publikationen heraus und wurde 1914 Herausgeber der „Weißen Blätter“, die unter seiner Regie die wohl wichtigste Zeitschrift des Expressionismus wurde. Auf der Autorenliste standen Johannes R. Becher, Leonhard Frank, Walter Hasenclever und Heinrich Mann.

Schickele gehörte keinem parteipolitischen oder ideologischen Lager an, gelegentliche Sympathiebekundungen für einen demokratischen Sozialismus sind verbrieft. Ende 1932 reiste er mitsamt seiner Familie nach Südfrankreich, nach Sanary-sur-Mer, wo sich Monate später viele seiner Freunde und Kollegen einfanden, etwa Thomas Mann und Lion Feuchtwanger. Es sollte eigentlich ein kurzes Exil in dem Land bleiben, dessen Staatsbürger er noch war, doch nach Badenweiler kam Schickele nie zurück. Er starb am 31. Januar 1940, ein gutes Vierteljahr vor dem Überfall der Wehrmacht auf Frankreich, in Vence nahe Nizza an Herzversagen. Seine Witwe zog später wieder nach Badenweiler, nach dem Krieg sorgte sie dafür, dass die Gebeine ihres verstorbenen Mannes auf dem Friedhof des Badenweiler Ortsteils Lipburg beigesetzt wurden.

Der selbst gewählte Heimatort

Nur hier, in Badenweiler, habe er sich niederlassen können, schrieb Schickele einst in einem Aufsatz über seinen bewusst ausgesuchten südbadischen Wohnort. Im wieder französisierten Elsass wollte er nicht sein, im preußischen Berlin auch nicht. Sein Bezugspunkt war das badisch-elsässische Grenzland, wo er täglich den Schicksalsberg der Region sehen konnte: den Hartmannswiller Kopf, den die Franzosen Viel Armand nennen.

Seinen Gipfel hat Schickele immer wieder erklommen, er saß dort oben und schrieb. In dem 1922 erschienen „Rundreise des fröhlichen Christenmenschen“ heißt es beispielsweise: „Das Land der Vogesen und das Land des Schwarzwaldes waren wie die zwei Seiten eines aufgeschlagenen Buches – ich sah deutlich vor mir, wie der Rhein sie nicht trennte, sondern vereinte, indem er sie mit seinem festen Falz zusammenhielt. Die eine der beiden Seiten wies nach Osten, die andre nach Westen, auf jeder stand der Anfang eines verschiedenen und doch verwandten Liedes.“ Aufgrund solcher Sätze ist Schickele für Rolf Langendörfer, der viele Jahre evangelischer Pfarrer in Badenweiler war, „das Beispiel eines großen politischen Dichters, der sich aber nicht hat vereinnahmen lassen“. Schickele habe in seinen Werken die seinerzeit utopisch erscheinende Vision eines friedlich vereinten Europas beschrieben.

Vor allem aber sorgt Christine Pierburg, die Hüterin des ehemaligen Dichter-Refugiums, dafür, dass Schickeles Andenken bewahrt wird: Sie empfängt regelmäßig Besucher und bewirtet auch schon mal ganze Gruppen im Park. „Ich hatte mich in das Haus verguckt“, sagt sie. Wenn schon die meisten Möbel, Bücher und anderen Zeugnisse aus dem Leben des Dichters verschwunden waren, sollte wenigstens das Gebäude erhalten bleiben. Sie hat es komplett nach ihrem Geschmack neu eingerichtet, ein Museum ist es folglich keinesfalls.

Journalist, Essayist und Romancier – und Pazifist

Der (später) berühmte Architekt Paul Schmitthenner hatte den Bau an den Rand von Badenweiler auf die grüne Wiese gesetzt. Ein schönes, schlichtes Landhaus mit einem riesigen Garten in exponierter Lage. Schmitthenner war seit 1918 Professor bei Paul Bonatz in Stuttgart an der Technischen Universität. Schmitthenner und Bonatz waren beide Lothringer, und beide machten später zeitweise gute Geschäfte mit den braunen Machthabern, die René Schickele außer Landes vertrieben.

Der 1883 in Oberehnhein (heute Obernai) südwestlich von Straßburg geborene Elsässer – Sohn eines Deutschen und einer Französin – war als Journalist, Essayist und Romancier immer auch Pazifist. Eine seinerzeit schwierige Herkunft und Haltung zwischen allen Fronten. René Schickele studierte in Straßburg, München, Paris und Berlin Literaturgeschichte, Naturwissenschaften und Philosophie. Mit Otto Flake und Ernst Stadler gab er mehrere Publikationen heraus und wurde 1914 Herausgeber der „Weißen Blätter“, die unter seiner Regie die wohl wichtigste Zeitschrift des Expressionismus wurde. Auf der Autorenliste standen Johannes R. Becher, Leonhard Frank, Walter Hasenclever und Heinrich Mann.

Schickele gehörte keinem parteipolitischen oder ideologischen Lager an, gelegentliche Sympathiebekundungen für einen demokratischen Sozialismus sind verbrieft. Ende 1932 reiste er mitsamt seiner Familie nach Südfrankreich, nach Sanary-sur-Mer, wo sich Monate später viele seiner Freunde und Kollegen einfanden, etwa Thomas Mann und Lion Feuchtwanger. Es sollte eigentlich ein kurzes Exil in dem Land bleiben, dessen Staatsbürger er noch war, doch nach Badenweiler kam Schickele nie zurück. Er starb am 31. Januar 1940, ein gutes Vierteljahr vor dem Überfall der Wehrmacht auf Frankreich, in Vence nahe Nizza an Herzversagen. Seine Witwe zog später wieder nach Badenweiler, nach dem Krieg sorgte sie dafür, dass die Gebeine ihres verstorbenen Mannes auf dem Friedhof des Badenweiler Ortsteils Lipburg beigesetzt wurden.

Der selbst gewählte Heimatort

Nur hier, in Badenweiler, habe er sich niederlassen können, schrieb Schickele einst in einem Aufsatz über seinen bewusst ausgesuchten südbadischen Wohnort. Im wieder französisierten Elsass wollte er nicht sein, im preußischen Berlin auch nicht. Sein Bezugspunkt war das badisch-elsässische Grenzland, wo er täglich den Schicksalsberg der Region sehen konnte: den Hartmannswiller Kopf, den die Franzosen Viel Armand nennen.

Seinen Gipfel hat Schickele immer wieder erklommen, er saß dort oben und schrieb. In dem 1922 erschienen „Rundreise des fröhlichen Christenmenschen“ heißt es beispielsweise: „Das Land der Vogesen und das Land des Schwarzwaldes waren wie die zwei Seiten eines aufgeschlagenen Buches – ich sah deutlich vor mir, wie der Rhein sie nicht trennte, sondern vereinte, indem er sie mit seinem festen Falz zusammenhielt. Die eine der beiden Seiten wies nach Osten, die andre nach Westen, auf jeder stand der Anfang eines verschiedenen und doch verwandten Liedes.“ Aufgrund solcher Sätze ist Schickele für Rolf Langendörfer, der viele Jahre evangelischer Pfarrer in Badenweiler war, „das Beispiel eines großen politischen Dichters, der sich aber nicht hat vereinnahmen lassen“. Schickele habe in seinen Werken die seinerzeit utopisch erscheinende Vision eines friedlich vereinten Europas beschrieben.

Thomas Mann als regelmäßiger Gast

Das Haus in Badenweiler in Sichtweite des Totenberges im Elsass sollte eigentlich Schickeles letztes Refugium sein. „Hier wollte ich einmal ruhen, bis die Posaunen des ewigen Sommers mich weckten.“ Aus dem Wunsch wurde nichts, gerade mal ein Jahrzehnt konnte die Familie Schickele – der Dichter, seine Frau und zwei Söhne – das Haus am Schwarzwald bewohnen und genießen. Der „Citoyen français“ und „Schriftsteller deutscher Zunge“, wie er sich sah, schrieb in dieser Zeit die Romantrilogie „Das Erbe am Rhein“ und mehrere Essay-Bände. Im Haus nebenan lebte die eng befreundete Schriftstellerin Annette Kolb. Thomas Mann war regelmäßiger Gast, zusammen fuhren sie auf die Schwarzwaldberge. Sein früher Tod hat René Schickele die Chance genommen, sich nach dem Krieg zu Wort zu melden.

In Badenweiler und anderswo denkt man nun wieder an ihn, den fast vergessenen Dichter, auch dank der Hüterin seines Hauses. „Es kommen wieder mehr Leute hierher“, freut sich Christine Pierburg. Sie reisen aus Karlsruhe oder aus Straßburg an, ein literarischer Reiseveranstalter aus Kehl am Rhein fährt Badenweiler an. „Ein ganzer Bus war kürzlich da, über 30 Leute. Sie haben im Garten Schickele gelesen. Es war unglaublich.“ Einmal, elf Jahren ist das nun her, waren sogar die Nachkommen Schickeles aus Amerika zu Besuch. Gerührt und berührt sangen die Hausherrin und ihre Gäste den Kanon „Abendstille überall“ an. Es flossen Tränen.