Die Kunden nehmen höhere Preise in den Leonberger Eisdielen zumeist klaglos hin. Dass viele sich dieses Vergnügen gönnen, hat auch mit dem Lippenstift-Effekt zu tun.

Erdbeere, Haselnuss oder doch der Kinder-Favorit blauer Engel? Die Eisdielen in der Umgebung bieten eine große Auswahl an Sorten. Neben klassischer Schokolade gibt es auch ausgefallenere Geschmcksrichtungen wie Snickers, Mango oder Raffaello. Die einzige Gemeinsamkeit der Eisdielen ist wohl der hohe Preis. Während die Kugel Eis in Stuttgart bis zu drei Euro kosten kann, zahlt man im Altkreis Leonberg nicht viel weniger – ein Eis in der Waffel kostet durchschnittlich zwei Euro.

 

Personalkosten, Miete und Strom: Nur Zehn Prozent Profit

Doch wie setzt sich diese hohe Summe überhaupt zusammen? Bereits 60 Prozent des Preises verteilen sich alleine auf Personalkosten, Miete und Strom – und von diesem wird sehr viel benötigt. Denn das Eis muss bei Minus Zwölf Grad dauergekühlt werden. Weitere 23 Prozent gehen auf den Wareneinkauf zurück, heißt es aus der Branche. Durch weltwirtschaftliche Krisen wie den Krieg in der Ukraine oder Lieferschwierigkeiten von Kakaobohnen werden Zutaten immer teurer.

Aber auch der Anspruch der Kunden hat sich in den vergfangenen Jahren stark verändert. Immer mehr wird darauf geachtet, ob die Milch vom Bio-Bauernhof kommt, oder ob im Vanilleeis nicht nur künstliche Geschmacksverstärker, sondern echte Vanilleschoten verarbeitet werden. „Uns ist es wichtig, dass unsere Gäste die Qualität schmecken können. Deshalb bereiten wir unsere Eissorten frisch und vor den Augen der Kunden zu“ sagt der Besitzer der Eisdiele Flora im Leonberger Stadtteil Ramtel. Hinter einer Kugel Eis steckt also ganz schön viel Arbeit. Von jeder verkauften Kugel bleibt den Betreibern knapp zehn Prozent Gewinn.

Leonberger schätzen Qualität und Familientradition

Jedes Jahr gibt es die Diskussionen rund um die, laut Verbrauchern, unverschämten Preise aufs neue. Trotz aller Kritik bleibt der Andrang unverändert, noch immer werden die Eisdielen fleißig besucht. „Vor Vier Monaten haben wir unsere Preise zum ersten Mal seit Jahren verändert“ erzählt der Besitzer des Familieneiscafés Stefanello, das es bereits seit 1961 in Leonberg gibt „die Leute wissen unsere Tradition zu schätzen. Da nehmen sie auch gerne mal eine Preiserhöhung in Kauf“.

Eis – oder das Gefühl von Gefühl von Sommer, Freude und Genuss. Foto: Jens Kalaene/dpa

Laut dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie konsumierten die Deutschen im Jahr 2023 jeweils knappe acht Liter Speiseeis. Circa anderthalb Liter davon gingen auf frisches Eis von der Eisdiele zurück. In heißen, trockenen Sommern wie zuletzt 2022 liegt der Pro-Kopf-Verbrauch meist sogar höher.

„Ich gehe trotz der steigenden Kosten noch immer gerne Eis essen. Damit verbinde ich ein Gefühl von Sommer, Freude und Genuss“ sagt eine Kundin der Gelateria Giulia. Sie gehört zu einer Gruppe von Frauen, die sich wöchentlich auf einen Kaffee oder eben einen Eisbecher trifft. Der Mittwochs-Treff, wie sich die Frauen selber nennen, ist sich einig: „Man muss sich ja auch mal was gönnen“.

Kleine Freuden statt großer Investitionen

Solch ein Verhalten ist zumindest laut dem „Lippenstift-Effekt“ nicht ungewöhnlich. Dieser besagt, dass in unsicheren Zeiten vermehrt Kosmetikprodukte wie Lippenstifte oder Gesichtspflege gekauft werden. Viele Menschen greifen zu erschwinglichen, kleinen Besonderheiten, um den persönlichen Alltag aufzuwerten. In diesem Fall lässt sich der Grundsatz der kleinen Belohnung, im Englischen auch als „Indulgence“-Prinzip bekannt, auf den Genuss von Eis übertragen. Dabei geht es nicht um teuren Luxus, sondern um das Bedürfnis, sich im Alltag kleine Freuden zu gönnen – etwa bei einem Familienausflug, nach der Arbeit oder gemeinsam mit Freunden nach der Schule.

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