In seinem Büro ist davon heute nichts mehr zu merken. Zuvorkommend wird der Besucher bewirtet, der Gastgeber entschuldigt sich gar für die Verspätung und dafür, den Kaffee nicht sofort nachgeschenkt zu haben. Dass er einmal als der europäische Rabauke galt, ficht ihn nicht mehr an – Corsepius hat dazugelernt.

 

Brüssel hat ihn verändert. „Es ist faszinierend“, hat er nach dem ersten Jahr dort gesagt, „mit verschiedenen Kulturen zusammenzuarbeiten und als Deutscher zu sehen, dass der deutsche Weg nicht der einzige ist, der zum Ziel führt.“ Heute weiß er, dass es in manchen Ländern eben als sehr unhöflich gilt, sofort Tacheles zu reden und nicht erst mit ein wenig Smalltalk in ein Gespräch einzusteigen. Er kennt die Akteure und ihre Eigenheiten besser, kann sich eher in sie hineinversetzen, telefoniert öfter mit Vertretern kleinerer EU-Staaten, die er in seiner ersten Amtszeit weniger beachtete.

Das hat Auswirkungen auf das Bild, das sie sich in Brüssel und anderen Hauptstädten von der Berliner Regierung machen. „Die EU-Institutionen werden nicht mehr so herablassend behandelt“, erzählt einer aus dem Kreis der „Sherpas“, die die Regierungschefs von Gipfel zu Gipfel führen. Er berichtet von einer „hundertprozentig anderen Tonlage“ und davon, dass Corsepius anders als sein Vorgänger in Vorbereitungstreffen nicht immer als Erster sprechen müsse: „Er ist nicht so dumm, arrogant oder belehrend aufzutreten. Er übt seinen Einfluss viel geschickter aus.“

Alle Regierungschefs kennen den Aufsteiger

Das institutionelle Räderwerk in Brüssel ist ihm nun sehr vertraut. „Uwe hat das beste Netzwerk in ganz Europa“, sagt ein EU-Diplomat. Das hilft ihm die politische Gemengelage richtig einzuschätzen, weil Merkels Gesprächspartner in Berlin nicht immer dasselbe sagen wie später in Brüssel. Mit dem Team von Ratschef Donald Tusk, das die Gipfelagenda festlegt, hat Corsepius am engsten zusammengearbeitet. Doch brachte er auch beste Kontakte mit der EU-Kommission, in der Flüchtlingskrise nun wichtigster Partner, zurück nach Berlin. Ihr Chef Jean-Claude Juncker ruft Corsepius schon mal direkt an, wenn er was mit Deutschland zu bereden hat. Alle Regierungschefs kennen ihn.

Die Arbeitsebene ist für Corsepius fast noch wichtiger. Ein Beispiel illustriert das: Der nächste Gipfel soll den Briten rechtsverbindlich zusichern, dass ihre Forderungen bei nächster Gelegenheit in die EU-Verträge aufgenommen werden. Die Bundesregierung darf aber nicht vorwegnehmen, wie der Bundestag künftig entscheidet – das verstieße gegen das Grundgesetz. Nun genügte ein Anruf beim in Brüssel für die Textentwürfe zuständigen Beamten, um eine Passage zu integrieren, wonach das Zugeständnis an London vorbehaltlich nationaler Verfassungsprozeduren erfolgt. Ohne Corsepius’ neue Kontakte hätte es sonst ordentlich gekracht im Bundestag. Möglich, dass sich Cameron deshalb kürzlich über dessen unnachgiebige Haltung beschwert hat – Beweis dafür, dass der gebürtige Berliner immer noch anders kann.

Corsepius’ Auftreten wurde als „schroff“ bezeichnet

Begeisterung hat die Personalie in Brüssel damals, 2011, keine ausgelöst. Er galt als „Merkels U-Boot“. Zur Last gelegt wurde ihm vor allem sein Auftreten zu Beginn der Eurokrise, das als „schroff“ und „undiplomatisch“ bezeichnet wurde. Tatsächlich gab es Runden mit Journalisten, in denen Merkels Mann wie selbstverständlich davon ausging, dass sich seine deutsche Position durchsetzen werde. Das war zwar zutreffend, aber eben nicht die feine diplomatische Art. Deutschland, hieß es, habe weniger ein inhaltliches denn ein Stilproblem.

Brüssel hat Corsepius verändert

In seinem Büro ist davon heute nichts mehr zu merken. Zuvorkommend wird der Besucher bewirtet, der Gastgeber entschuldigt sich gar für die Verspätung und dafür, den Kaffee nicht sofort nachgeschenkt zu haben. Dass er einmal als der europäische Rabauke galt, ficht ihn nicht mehr an – Corsepius hat dazugelernt.

Brüssel hat ihn verändert. „Es ist faszinierend“, hat er nach dem ersten Jahr dort gesagt, „mit verschiedenen Kulturen zusammenzuarbeiten und als Deutscher zu sehen, dass der deutsche Weg nicht der einzige ist, der zum Ziel führt.“ Heute weiß er, dass es in manchen Ländern eben als sehr unhöflich gilt, sofort Tacheles zu reden und nicht erst mit ein wenig Smalltalk in ein Gespräch einzusteigen. Er kennt die Akteure und ihre Eigenheiten besser, kann sich eher in sie hineinversetzen, telefoniert öfter mit Vertretern kleinerer EU-Staaten, die er in seiner ersten Amtszeit weniger beachtete.

Das hat Auswirkungen auf das Bild, das sie sich in Brüssel und anderen Hauptstädten von der Berliner Regierung machen. „Die EU-Institutionen werden nicht mehr so herablassend behandelt“, erzählt einer aus dem Kreis der „Sherpas“, die die Regierungschefs von Gipfel zu Gipfel führen. Er berichtet von einer „hundertprozentig anderen Tonlage“ und davon, dass Corsepius anders als sein Vorgänger in Vorbereitungstreffen nicht immer als Erster sprechen müsse: „Er ist nicht so dumm, arrogant oder belehrend aufzutreten. Er übt seinen Einfluss viel geschickter aus.“

Alle Regierungschefs kennen den Aufsteiger

Das institutionelle Räderwerk in Brüssel ist ihm nun sehr vertraut. „Uwe hat das beste Netzwerk in ganz Europa“, sagt ein EU-Diplomat. Das hilft ihm die politische Gemengelage richtig einzuschätzen, weil Merkels Gesprächspartner in Berlin nicht immer dasselbe sagen wie später in Brüssel. Mit dem Team von Ratschef Donald Tusk, das die Gipfelagenda festlegt, hat Corsepius am engsten zusammengearbeitet. Doch brachte er auch beste Kontakte mit der EU-Kommission, in der Flüchtlingskrise nun wichtigster Partner, zurück nach Berlin. Ihr Chef Jean-Claude Juncker ruft Corsepius schon mal direkt an, wenn er was mit Deutschland zu bereden hat. Alle Regierungschefs kennen ihn.

Die Arbeitsebene ist für Corsepius fast noch wichtiger. Ein Beispiel illustriert das: Der nächste Gipfel soll den Briten rechtsverbindlich zusichern, dass ihre Forderungen bei nächster Gelegenheit in die EU-Verträge aufgenommen werden. Die Bundesregierung darf aber nicht vorwegnehmen, wie der Bundestag künftig entscheidet – das verstieße gegen das Grundgesetz. Nun genügte ein Anruf beim in Brüssel für die Textentwürfe zuständigen Beamten, um eine Passage zu integrieren, wonach das Zugeständnis an London vorbehaltlich nationaler Verfassungsprozeduren erfolgt. Ohne Corsepius’ neue Kontakte hätte es sonst ordentlich gekracht im Bundestag. Möglich, dass sich Cameron deshalb kürzlich über dessen unnachgiebige Haltung beschwert hat – Beweis dafür, dass der gebürtige Berliner immer noch anders kann.

Die Zeit für europäische Lösungen läuft ab

In seinem Büro, das mit einem Bild des Brandenburger Tors und zwei Berliner Bären auf dem Schreibtisch spartanisch dekoriert ist, gibt es keine Anzeichen dafür. Und doch interpretiert er sein Amt mit mehr europäischem Verständnis als je zuvor – während andere Regierungen unter rechtspopulistischem Druck auf nationale Lösungen setzen. Ist am Ende Uwe Corsepius der Grund, dass Angela Merkel in der Flüchtlingskrise auf europäische Lösungen beharrt, obwohl sie damit innenpolitisch zusehends in Bedrängnis gerät? Das würde ihr Beamter natürlich nie sagen – selbst wenn es so wäre. Europa gehöre eben zur „Grundüberzeugung der Kanzlerin“, meint ein enger Mitarbeiter eines Mitglieds der EU-Gipfelrunde, „aber es ist hilfreich, jemanden an ihrer Seite zu wissen, der in Brüssel zum Europäer geworden ist“.

Uwe Corsepius weiß, dass die Zeit für europäische Lösungen abläuft und die EU, in die er so viele Arbeitsjahre investiert hat, in Gefahr ist. Das zu verhindern treibt ihn an, jetzt nicht Feierabend zu machen und wieder hochzugehen in den siebten Stock.