Brüssel - Der Euro schlägt sich in der Corona-Krise beachtlich. Seit einem Jahr hat die Gemeinschaftswährung um 7,5 Prozent gegenüber dem Dollar zugelegt. Im Mai lag der Euro noch bei 1,08 Dollar, aktuell wird er mit über 1,19 Dollar bewertet. So richtig aufwärts geht es bei den Kursen seit Anfang Juli. Ökonomen glauben, dass dahinter zum einen eine Dollar-Schwäche steht. Die mittelfristigen Wachstumsaussichten der EU sind höher als der USA. Die Europäer sind besser durch die erste Corona-Phase gekommen, und die Rettungspakete werden dazu beitragen, dass die hiesige Wirtschaft schneller aus den roten Zahlen herauskommt.
Die meisten Experten sind zugleich überzeugt, dass es noch einen anderen Grund für den Aufwärtstrend gibt. Die Gemeinschaftswährung hat demnach in diesem Sommer die Unterstützung von politischer Seite bekommen haben, auf die sie lange warten musste. Manche wie Ex-EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger meinen sogar, dass der Euro dadurch das Potenzial hat, die Dominanz des Dollars zu brechen.
750 Milliarden Euro für den Wiederaufbau
Den Ritterschlag bei institutionellen Anlegern dürfte der Gemeinschaftswährung ausgerechnet der Beschluss der Staats- und Regierungschefs von Ende Juli gegeben haben, als Staatengemeinschaft erstmals gemeinsam massiv in die Verschuldung zu gehen. Wie bitte? Markus Ferber (CSU), Experte für Wirtschaft und Währung im Europa-Parlament, räumt ein: „Auf den ersten Blick ist es paradox: Erst jetzt, wo sich die EU massiv verschuldet, wird die Gemeinschaftswährung an den Finanzmärkten so richtig sichtbar.“
Die Staats- und Regierungschefs hatten beschlossen, 750 Milliarden Euro für den Wiederaufbau (im EU-Jargon Next Generation EU) an den Finanzmärkten aufzunehmen. Das ist eine gewaltige Summe. Das ist etwa drei Mal so viel wie Italien, das Land mit dem höchsten Kapitalbedarf in der Euro-Zone, sich jedes Jahr leihen muss, um Anschlussfinanzierungen für die Altschulden zu haben.
Anleihen haben noch keinen Namen
Noch gibt es keinen Namen für die neuen gemeinsamen Anleihen in Euro. „Corona-Anleihen“ oder „Euro-Bonds“ sind als Begriffe politisch verbrannt. Klar ist aber, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für die neuen Anleihen in Euro, die ab 2021 begeben werden, schon bald zu Roadshows aufbrechen und vor Pensionsfonds und institutionellen Anlegern von den Vorzügen dieser Geldanlage schwärmen muss. Klar ist auch, dass die neuen Schuldscheine in Euro bei Großanlegern aus aller Welt auf eine hohe Nachfrage stoßen werden. Ferber: „Die Anleihe wird ein Top-Rating sowie ein nie gekanntes Volumen haben und zudem auf Sekundärmärkten handelbar sein.“
Uli Leuchtmann, Währungsanalyst der Commerzbank, glaubt auch, dass sich durch die Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs die Sichtweise der Märkte auf den Euro verändert hat: „An den Finanzmärkten sieht man, dass der Euro in der Corona-Zeit eben nicht in eine Krise gerutscht ist.“ Das Krisenmanagement beim EU-Gipfel werde von der Finanzwelt als gelungen bewertet: „Die Staats- und Regierungschefs haben dem Euro eine gewisse Krisenrobustheit verliehen, indem sie die Anleihen an den EU-Haushalt gekoppelt haben.“ Damit kann kein Zweifel aufkommen, ob die Schulden von Europa mit einer Laufzeit bis 2058 auch zurückgezahlt werden. Für den EU-Haushalt müssen alle 27 Mitgliedstaaten entsprechend ihrer Wirtschaftsleistung Garantien aussprechen. Selbst wenn ein Land aus der EU austräte, die Garantien gälten weiterhin. Leuchtmann: „Damit gelten diese Anleihen als risikoarm.“ Die Wucht der Anleihe wird gewaltig. Bislang gibt jedes Mitgliedsland allein Staatsanleihen heraus. Ist es ein kleines oder nicht so solventes Land, dann sind Risikoaufschläge fällig. Leuchtmann weist darauf hin: „Bislang war der Markt für Anleihen in Euro stark segmentiert.“ Künftig werde man einen großen, liquiden Markt für Quasi-Staatsanleihen bekommen. „Das mach den Euro für Anleger interessant.“
43 Prozent der Geschäfte werden in Dollar abgewickelt
Schon jetzt liegt der Euro beim weltweiten Zahlungsaustausch an zweiter Stelle hinter dem Dollar. 43 Prozent der Geschäfte werden in Dollar abgewickelt, 38 Prozent in Euro. Es kommt dabei zu absurden Situationen: Wenn etwa die Lufthansa bei Airbus in Toulouse eine neue Maschine kauft, dann zahlt sie dafür in Dollar und nicht in Euro. Auch mit der 750-Milliarden-Anleihe in Euro dürfte sich an der Dominanz des Dollars im Zahlungsverkehr so schnell nichts ändern. Das Beharrungsvermögen von Währungssystemen ist hoch. Es sei denn, die US-Regierung machte haarsträubende Fehler, etwa indem sie das Sanktionsregime überziehe. „Dann könnte der Dollar seine Funktion als Leitwährung einbüßen, der Euro würde davon profitieren und weiteren Boden gutmachen“, erklärt Leuchtmann.