Er hat für den bayrischen Ministerpräsidenten ein Gutachten zu Migrationskrise geschrieben. Demnächst sitzt der Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio der Ethikkommission des Bundesverkehrsministers zum autonomen Fahren vor.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Bonn - Wäre er nicht ein so höflicher Mensch, könnte er jetzt auch in Motorradmontur am Tisch sitzen. „Aber das erschien mir nicht angemessen“, sagt er nüchtern. Und so sitzt Udo Di Fabio (62) im akkuraten dunkelgrauen Anzug zu anthrazit-farbenem Hemd bei Temperaturen nahe der 30 Grad in seinem Arbeitszimmer an der Uni Bonn. Er ist Professor für Staatsrecht mit einem Doktortitel in Jura, einem in Sozialwissenschaften, und war bis Ende des Jahres 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht. Derzeit brütet er über Anträgen für ein neues, auf sieben Jahre angelegtes Forschungsprojekt. Es geht um die Institutionen des Rechtsstaates und was das Gemeinwesen im Innersten zusammenhält. Es wird Di Fabio bis zur Pensionierung und vielleicht auch darüber hinaus beschäftigen.

 

Jetzt schlüpft er aber schnell in sein Jackett und wird es die ganze Zeit nicht ablegen, dafür aber das Fenster öffnen, damit etwas frische Luft in das Büro gelangen kann. Er will noch einmal eine grundsätzliche Arbeit vorlegen. Als habe er das mit seinen Karlsruher Urteilen und den vielen Gutachten nicht schon getan. Ob NPD-Verbotsverfahren, Pendlerpauschale oder EU-Lissabonvertrag – er hat Eckpunkte der deutschen Rechtsgeschichte mitgestaltet. Die zwölf Jahre am Bundesverfassungsgericht haben den „impulsiven Menschen“ (Di Fabio über sich selbst) diszipliniert und ihm gleichzeitig gutgetan, wie er sagt. Aber einer, der wie er am Zustand der Welt interessiert ist und dabei als wertkonservativ gilt, hat die Zeit auch als Bürde empfunden. Das Immer-unter-öffentlicher-Beobachtung-Stehen strengt an. Nicht umsonst hat er in diesen Jahren weiter Vorlesungen gehalten. Er wollte noch mit einem Bein im Leben stehen, die Familie mit vier Kindern sorgte zusätzlich für Bodenhaftung.

Bücherschreiben ist für ihn Entspannung

Seine Bücher hat er im Urlaub geschrieben. In zwei Wochen Mallorca, wo ihn seine Frau hingeschickt hat, habe er 100 Seiten abgearbeitet. Für ihn ist das „auch eine Form der Entspannung“. Auf die Frage, wie er das und seine zwei Berufe zeitlich habe vereinbaren können, antwortet er selbstbewusst: „Das kommt auch auf die Geschwindigkeit an, mit der Sie dann arbeiten, wenn Sie wieder da sind.“ Ja, er sei entscheidungsfreudig. Andere Attribute will er sich selbst nicht geben. „Ich hab’ gelernt, man soll bescheiden sein.“ Doch ohne Frage: An einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein mangelt es Di Fabio nicht.

Im politischen Farbenspiel galt der Mann, der Enkel eines italienischen Einwanderers und Sohn eines Bergmannes ist und sein Abitur auf dem Abendgymnasium nachgeholt hat, als CDU-nah. Am Ende seiner Amtszeit, so schrieben manche Kommentatoren, sei die Politik froh gewesen, dass Di Fabios Zeit um sei, weil ihn niemand als so umtriebig erwartet habe. Sein Nachfolger im Amt ist der ehemalige saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU). Sein Vorgänger war Paul Kirchhof.