Der Fall Wörz zählt zu den ungewöhnlichsten Prozessen in der deutschen Rechtsgeschichte. Nun steht ein Polizist unter Verdacht.

Stuttgart - Der Fall Harry Wörz zählt zu den ungewöhnlichsten Prozessen in der deutschen Rechtsgeschichte. Im April 1997 war seine damalige, von ihm getrennt lebende Ehefrau Opfer eines versuchten Tötungsdelikts geworden. Die junge Polizistin und Mutter des gemeinsamen Sohnes überlebte die Drosselung mit einem Wollschal nur knapp, sie ist seither schwerstbehindert und kann zur Aufklärung nichts beitragen.

Der 43-jährige Wörz, der stets seine Unschuld beteuerte, ist bislang ein Mal rechtskräftig verurteilt - er saß mehr als vier Jahre in Haft - und nach einem wahren Justizmarathon zwei Mal freigesprochen worden. Den Kampf um seine Unschuld hat der Filmemacher Gunter Scholz begleitet. In dem Dokumentarfilm, den die ARD am Dienstag im Ersten Programm zeigt, schildert Scholz seine engagierte Sicht. Es ist sein dritter Film über Harry Wörz. In diesen neun Jahren der Begleitung seien sie "Freunde geworden", sagt Scholz und macht damit deutlich, dass er Wörz nicht für den Täter hält, sondern als Opfer einer befangen agierenden Polizei hält.

Der zweite Freispruch ist noch nicht rechtskräftig, Staatsanwalt und Nebenkläger haben dagegen erneut Revision beim Bundesgerichts eingelegt. Finden sich Rechtsfehler im Urteil, muss der Fall mit dem Dauerangeklagten Harry Wörz erneut vor Gericht aufgerollt werden.

Dann aber könnte es zu einer weiteren, eigentlich unmöglichen Konstellation kommen: In zwei unabhängigen Verfahren könnten zwei Verdächtige des gleichen grausamen Gewaltverbrechens angeklagt werden. Denn seit dem Freispruch von Wörz ermittelt - 13 Jahre nach der Tat - erstmals eine Staatsanwaltschaft gegen einen anderen Verdächtigen. Es ist der damalige Geliebte des Opfers, ein Pforzheimer Polizisten, der auch der Schichtführer der Frau war. Dieser Polizeibeamte ist seit Anfang Januar vom Dienst suspendiert.

Nun müssen bergeweise Akten gesichtet werden


Die Richter des Mannheimer Landgerichts hatten den Freispruch für Harry Wörz - höchst ungewöhnlich - unter anderem damit begründet, dass sie sehr deutlich auf einen anderen möglichen Täter in dieser Beziehungstat hinwiesen. Sie erachteten es als "durchaus wahrscheinlich", dass der verheiratete Geliebte im Verlauf eines Streits die Frau gedrosselt habe.