Der Fall Kavanaugh wird uns noch länger beschäftigen – er sendet ein fatales Signal an Frauen und Mädchen. Hier zementieren Männer die Regeln einer patriarchalen Gesellschaft.

Berlin - Nun ist Brett Kavanaugh also Richter am Obersten Gericht der USA, auf Lebenszeit. Er hat sein Ziel erreicht, genau wie der Mann, der ihn als Figur aufs Feld gesetzt hat: US-Präsident Donald Trump. Sind die beiden also die Gewinner? Sie werden diese Frage selbstverständlich mit Ja beantworten.

 

Es stimmt ja auch: Sie haben eine schmutzige Partie gewonnen, in der beide Seiten mit miesen Tricks spielten. Die Republikaner wollten ihren Mann so sehr durchbringen, dass sie dafür bereit waren, jeden Versuch einer ernsthaften Aufklärung zu unterdrücken. Auch die Demokraten fochten hier nicht in erster Linie für die Sache. Sie sannen auf Rache für vergangene Niederlagen bei der Berufung von Richtern – und instrumentalisierten so mit Professor Christine Blasey Ford eine Frau, die sich an sie gewandt hatte. Sie missbrauchten ihr Vertrauen und bürdeten ihr etwas auf, was nie mehr weggehen wird: die Verknüpfung ihres Namens mit diesem Fall, den Schmerz der öffentlichen Aussage und einen verletzenden Rufschaden, der darin liegt, dass ihr Wort am Ende kein entscheidendes Gewicht hat. Wohlgemerkt, juristisch gesehen gilt für Brett Kavanaugh die Unschuldsvermutung. Und ja, es ist auch richtig, dass die Taten, welche ihm von drei Frauen – nicht von einer – vorgeworfen werden, sehr lange zurückliegen. Aber die hier aufgeworfene Frage war keine juristische, sondern die einer Eignung für ein höchstes Richteramt – eine hohe Schwelle. Das war es, worüber die Senatoren zu befinden hatten.

Der Präsident veräppelt das Opfer

Es ist nicht allein deren Antwort, sondern auch die Art , wie diese Antwort hergestellt wurde, die uns vermutlich noch länger beschäftigen wird. Denn mit dem, was Trump und seine Anhänger in den letzten Tagen sagten, taten und unterließen, haben sie genau die Regeln auf Anfang zurückgedreht, auf deren Überwindung Frauen und auch Männer gehofft hatten. Da entschließt sich eine Frau zu einer Aussage. Sie bemüht sich um Genauigkeit und Würde. Und dem Mann, den sie beschuldigt, gelingt es mit einem halbstündigen, wütenden Tränenauftritt – nach dem keine Frau der Welt noch irgendeine Führungsposition bekommen hätte – trotz sachlicher Widersprüche die Deutungshoheit zu erlangen. Der US-Präsident tut nichts, um dem Fall auf den Grund zu gehen. Stattdessen untergräbt er öffentlich die Glaubwürdigkeit der Frau, äfft sie nach, und nein, es ist dabei nicht unwichtig, dass auch diesem Mann Übergriffe vorgeworfen werden und es ein Tonband gibt, auf dem er stolz erklärt, wie man straflos Frauen angrapschen kann. Er mache sich Sorgen um die armen jungen Männer dieser Tage, sagt dieser Präsident.

Es ist ein Jahr her, dass unter #metoo der Sprachlosigkeit, der Angst, dem Nichtgehörtwerden etwas entgegengesetzt wurde. Ein Jahr, in dem Mädchen endlich lernen, dass sie nicht erst nach 20 Jahren oder niemals sprechen dürfen, dass sie sich wehren dürfen, jetzt, sofort. Ja, in der Bekenntniswelle lag von Anfang an eine gewisse Gefahr von Furor. Aber hätte es eines Beweises dafür bedurft, wie verhältnismäßig klein im Vergleich zu Zigtausenden Vorfällen diese Gefahr ist, wie viel patriarchaler die Gesellschaft ist, als wir hofften, wie mächtig sie sich wehrt, dann hat der Fall Kavanaugh diesen geliefert. Von hier geht, im Jahr 2018, eine Botschaft an Frauen aus: Schweig, wir stellen sicher, dass du verlierst.

Vorschau Am kommenden Dienstag schreibt an dieser Stelle unsere Kolumnistin Sibylle Krause Burger.