Für den Altliberalen Gerhart Baum sitzt der Verantwortliche für den Skandal im Innenministerium. Horst Seehofers Amtsführung sei zu lasch, so Baum. Auch zu Maaßen hat er eine klare Meinung.

Berlin -

 

Der FDP-Politiker und Bürgerrechtler Gerhart Baum hat kein Vertrauen mehr in den Verfassungsschutz-Chef.

Herr Baum, wie hätten Sie als Bundesinnenminister reagiert, wenn ein Verfassungsschutz-Präsident mit einer letztlich haltlosen Spekulation über die Geschehnisse in Chemnitz an die Öffentlichkeit gegangen wäre?

Ich hätte es gar nicht erst so weit kommen lassen. Herr Seehofer hat eine laxe Amtsführung. Herr Maaßen ist ein Beamter und den Weisungen des Ministers unterworfen. Ich hätte in einem so empfindlichen Fall dafür gesorgt, dass er nicht eigenmächtig an die Öffentlichkeit geht. Seehofers Amtsführung und seine politische Sicht der Dinge in Chemnitz haben Maaßen offensichtlich dazu verleitet, und das ist jetzt nicht zum ersten Mal geschehen. Die politische Verantwortung liegt bei Seehofer.

Wobei Seehofer sagte, er sei von Maaßen über dessen Sicht informiert worden.

Schlimm genug! Im Ministerium hätte die Meinungsbildung stattfinden müssen. Stattdessen musste der Minister seinen Beamten nun vor aller Öffentlichkeit mit Fristsetzung anweisen, ihm einen Bericht zu liefern. Auch das Kanzleramt hätte übrigens einbezogen werden müssen. Das ist eine Art der Amtsführung, für die ich kein Verständnis habe.

Maaßen übernahm nach dem NSU-Skandal sein Amt – mit der klaren Aufforderung, mehr Offenheit zu wagen. Wo sehen Sie Grenzen für den obersten Verfassungsschützer im Umgang mit der Öffentlichkeit?

Wenn er Parlament und Öffentlichkeit über das laufende Geschäft informiert, ist das im Prinzip nicht problematisch. Aber hier ging es um eine ungesicherte Information in einer hochbrisanten Situation. Das darf er nicht ohne Abstimmung. Es gibt keine Parlamentsverantwortung des Herrn Maaßen. Es gibt nur eine einzige Parlamentsverantwortung: die des zuständigen Ministers. Vor den Gremien des Parlaments muss in dieser Woche auch Seehofer als Ressortchef Stellung nehmen. Nach dem Grundgesetz Artikel 65 ist der Minister für alles verantwortlich, was in seinem Geschäftsbereich passiert, nicht allein ein Beamter.

Es gab ja schon früher Kritik an Maaßen, etwa wegen seiner Kontakte zu AfD-Politikern. Ist er in seinem Umgang mit der AfD zu weit gegangen?

Zunächst einmal hätte ich als Bundesinnenminister darauf Wert gelegt, dass ich solchen Kontakten zustimme. Ich hätte auch darauf bestanden , den Grund für solche Gespräche zu erfahren. Als Abgeordneter würde ich in dieser Woche Seehofer zu diesem Komplex befragen. Er muss begründen, warum Maaßen die merkwürdigen Kontakte zur AfD hatte. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist das schwierigste Amt im Geschäftsbereich des Innenministeriums. Es funktioniert nur auf der Basis eines Vertrauensverhältnisses zwischen Minister und Amtschef.

Ist Maaßen im Amt überhaupt noch haltbar?

Ich hätte zu diesem Behördenleiter kein Vertrauen mehr. Seehofer muss entscheiden, ob er mit ihm weiterarbeiten will. Dabei hat das Parlament ein Wort mitzureden. Maaßen hat die Öffentlichkeit getäuscht. Aber Seehofer sitzt selbst im Glashaus. Ich vermute, dass er Maaßen angestiftet hat. Dann müsste nicht nur Maaßen gehen, sondern er selbst. Offenbar war das wieder ein Machtkampf mit der Kanzlerin. Es gilt der Primat der Politik. Die Beamten dürfen in einer so aufgeheizten Situation keine eigene Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Die Regierung muss mit einer Stimme sprechen.

Sehen Sie Anhaltspunkte, die eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz rechtfertigten?

Aktuell sehe ich das bundesweit noch nicht. Aber das kann sehr schnell kommen. Die AfD bewegt sich hin zu einer rassistischen Nazipartei – wie die NPD. Da können sich auch gemäßigte Mitläufer nicht herausreden. Man sollte zunächst regionale Gliederungen dieser Partei, ihre Vorfeldorganisationen, ihre finanziellen Netzwerke beobachten.

Wo sehen Sie in dieser Situation das Hauptproblem?

Seehofer hält die Flüchtlingsfrage für die Mutter aller Probleme. Falsch! Die Mutter aller Probleme ist, dass eine nennenswerte Minderheit der Deutschen sich von der Demokratie langsam entfernt und offen mit Naziparolen operiert. Wenn rund 25 Prozent der Ostdeutschen bei den kommenden Landtagswahlen AfD wählen wollen, ist das eine Gefahr für die Demokratie. Im Westen gewinnt die AfD auch an Boden. Kritik muss möglich sein. Rechtsextremen Hass, genährt durch Nazi-Ideologie, dürfen die Deutschen nie wieder zulassen.