Ein TV-Aufruf im Fall der verschwundenen Maddie McCann hat der britischen Polizei Hunderte neue Hinweise gebracht. Fast 1000 Anrufe und E-Mails gingen bis bei der Londoner Polizei Scotland Yard ein.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London – Millionen Bürger in Europa will Scotland Yard jetzt auf der Suche nach Madeleine McCann mobilisieren – sechseinhalb Jahre, nachdem das kleine Mädchen im portugiesischen Praia da Luz spurlos aus der Ferienwohnung seiner Familie verschwand. Mit einem Großappell im britischen Fernsehen hat die britische Polizei in der Nacht zum Dienstag zu einer neuen Jagd auf Maddies unbekannte Entführer aufgerufen. Heute Abend will auch die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY . . . ungelöst“ (20.15 Uhr) den Fall aufgreifen. In Irland und Holland soll ebenfalls per Fernsehen gefahndet werden.

 

Mit ihrem Massenappell hoffen die Londoner Detektive, der lang erkalteten Spur noch einmal „heiße“ neue Hinweise abzugewinnen. Mehrere Phantombilder – so genannte E-fits – sind in diesem Zusammenhang veröffentlicht worden, die mögliche Täter abbilden sollen. Einer der Abgebildeten ist ein Mann mit kurzen, braunen Haaren, den Zeugen am späten Abend ein Kind in die Stadt oder zum Strand hinunter tragen sahen – wenige Minuten, bevor Madeleines Mutter Kate das Verschwinden ihrer Tochter bemerkte. Diesen Mann wollen nach der Ausstrahlung von „Crimewatch“ in der BBC gleich mehrere Anrufer wiedererkannt haben. Insgesamt meldeten sich nach der Ausstrahlung mehr als tausend Zuschauer. Dies sei eine „beispiellose“ Resonanz in der Geschichte der Sendung, teilte der Redaktionsleiter mit.

Entführung könnte vorab geplant gewesen sein

Gesucht werden von der Polizei darüber hinaus zwei blonde Männer, die zur betreffenden Zeit in der Nähe des Tatorts „herum gelungert“ haben sollen. Sie könnten britischen Zeitungsberichten zufolge Deutsche, Holländer oder Skandinavier gewesen sein. Außerdem soll eine Reihe von Portugiesen identifiziert werden, die am fraglichen Tag mit Sammelbüchsen von Tür zu Tür zogen.

Bei ihnen soll es sich um Schwindler und Betrüger gehandelt haben. Einer soll noch wenige Stunden vor dem Verschwinden des Mädchens an die Tür der Ferienwohnung geklopft haben. Nach Ansicht von Scotland Yard könnte eine Entführung Madeleines durchaus vorab geplant worden sein. Andererseits schließt man auch nicht aus, dass das Kind einem Einbrecher zum Opfer fiel.

Der Fall der kleinen Britin ist seit jenem 3. Mai 2007 weit über die Grenzen Portugals und Großbritanniens hinaus bekannt geworden. Die damals Dreijährige war aus dem Apartment 5a des Ocean-Club-Ferienzentrums von Praia da Luz im Südwesten Portugals verschwunden, als ihre Eltern mit Freunden in einer Tapas-Bar saßen. Das Verschwinden des Mädchens und die verzweifelten Appelle der Eltern hatte eine monatelange Suchaktion zur Folge. Im Verlauf der Fahndung wurden Kate und Gerry McCann sogar selbst verdächtigt, mit dem Verschwinden ihrer Tochter etwas zu tun zu haben. Im Februar 2008 beendeten die portugiesischen Behörden ihre Untersuchungen aber ergebnislos.

Bisher hat man lediglich einen Verdächtigen entlastet

Die britische Polizei nahm sich der Sache erneut an, nachdem die McCanns vor zwei Jahren den Premierminister David Cameron in einem offenen Brief im Londoner Boulevardblatt „The Sun“ aufforderten, den Fall neu aufzurollen. Cameron gab grünes Licht für eine neue Aufklärungsaktion. Ein Team der britischen Kriminalpolizei hat seither mit Hilfe von sechs Privatdetektiven in Portugal Zehntausende von Informationen gesichtet und Handynummern gesammelt. In 30 Ländern haben die Briten um Amtshilfe gebeten. Sehr viel Konkretes hat man bis heute allerdings nicht aufdecken können. Man hat lediglich einen Verdächtigen entlastet, der zur Zeit des Tapas-Essens der McCanns außerhalb der Ferienanlage ein Kind durch die Straßen trug.

Bei dem Gesuchten handelte es sich um einen Vater, der seine zweijährige Tochter aus einer Nachtkrippe abgeholt hatte, um sie nach Hause zu bringen. Statt dieses Mannes ist nun der in den just veröffentlichten Phantombildern gezeigte Verdächtige ins Zentrum der Fahndung gerückt, den eine irische Familie wesentlich später und anderswo, auf dem Weg in die Stadt oder zum Strand, gesichtet haben will.