Der Verdacht, dass es einen schmutzigen Deal um die Freilassung des Journalisten Denis Yücel gab, steht bei der Talkrunde im Raum.

Berlin - Denis Yücel ist frei – doch um welchen Preis? Dass die Bundesregierung mit der Türkei einen Deal gemacht haben könnte, und zwar einen mit der Überschrift „Gefangener gegen Panzer“, ist nicht aus der Luft gegriffen. Hat doch Außenminister Sigmar Gabriel höchstpersönlich im Januar gesagt, er werde keine Rüstungsexporte in die Türkei genehmigen, solange der Fall Yücel nicht gelöst sei. Der ist nun gelöst – was also folgt daraus?

 

„Es gibt keine Absprachen“, behauptet am Sonntagabend der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), in Anne Wills Talkrunde. Gabriels Satz vom Vortrag, wonach Yücels Freilassung seinen Informationen zufolge eine „rein juristische Entscheidung“ gewesen sei, lasse keinen Interpretationsspielraum zu. Warum hätte Ankara sonst 367 Tage mit dem Schritt gewartet und nicht schon früher reagiert?, argumentiert der SPD-Mann. Den Schluss, dass die Türkei ein Rechtsstaat sei, will er allerdings nicht daraus ziehen: „Wir wissen, dass es schlecht um die Demokratie dort steht.“ Und von den Standards bei Menschenrechten sei das Land angesichts der zig-tausend anderen politischen Häftlingen auch meilenweit entfernt.

Also keine Gegenleistung? Da ist sich auch Norbert Röttgen sicher, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Zwar habe Gabriel mit seinem Satz einen „fatalen Zusammenhang“ hergestellt zwischen Ankaras Wunsch, dass Berlin beim Aufbau einer Panzerfabrik hilft, und Deutschlands Wunsch nach Yücels Freilassung. Doch die Bundesregierung wisse nur zu gut: „Gegenleistungen können nur ins Elend führen.“ Dass die Freilassung des „Welt“-Korrrespontenten rein politisch motiviert war, steht für den CDU-Politiker allerdings fest: „Die politische Kosten der Inhaftierung sind einfach zu groß geworden.“

Steudtner: Waffenhandel abschaffen!

Gäbe es einen schmutzigen Deal um seine Freilassung, „wäre das für Denis Yücel schrecklich“, sagt der Chefredakteur der „Welt“, Ulf Poschardt. Der sei ein Idealist und habe mehrfach klar gemacht, dass er in diesem Fall lieber im Gefängnis bleibe. Doch Gabriel habe auch ihm versichert: Es gibt keinen Deal.

Und doch will das die Bundestagsabgeordnete der Linken, Sevim Dagdelen, nicht glauben. „Erdogan hat mehrfach gesagt: Freilassung nur gegen Gegenleistung“, erinnert die kurdisch-stämmige Politikerin an Aussagen des türkischen Präsidenten. Und der wolle Panzer, Geld und wirtschaftliche Hilfe. Hat Außenminister Gabriel also gelogen?, fragt Anne Will. Nun ja, das will Dagdelen nicht behaupten, es gebe vielleicht keinen Vertrag, in dem der Deal festgehalten sei. Aber aus „Liebe zur Humanität“ habe Erdogan den Journalisten jedenfalls nicht frei gelassen.

Auf solche Mutmaßungen lässt sich Peter Steudtner nicht ein. Der Politologe und Menschenrechtsaktivist saß im vergangenen Jahr selbst vier Monate in einem türkischen Gefängnis – und wurde unter ebenso merkwürdigen Umständen freigelassen wie er verhaftet worden war. Für Steudtner gibt es nur einen schnurgeraden Weg im Umgang mit despotischen Herrschern, ja im Umgang zwischen Staaten überhaupt: „Der Waffenhandel insgesamt gehört abgeschafft.“