Eine Gruppe von Anhängern des VfB Stuttgart will als FC PlayFair! die Position aller Fans stärken. Der Verein hat prominente Unterstützer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Zwei Beispiele verdeutlichen wahrscheinlich ganz gut den Zustand des internationalen Fußballs im Jahr 2018. Fall eins: Im April wird der Schweizer Erstligist FC Sion vom europäischen Fußball-Verband für zwei Jahre von allen europäischen Wettbewerben ausgeschlossen. Außerdem muss der Club eine Strafe in Höhe von 235 000 Euro zahlen. Der FC Sion habe, so die Uefa in der Begründung, die Ablösesumme von 950 000 Euro für den ghanaischen Spieler Ishmael Yartey zu spät an den französischen Zweitligisten FC Sochaux überwiesen.

 

Fall zwei: Paris St. Germain hat in Folge der Transfers von Kylian Mbappé und Neymar in den vergangenen beiden Jahren eine negative Transferbilanz in Höhe von 260 Millionen Euro auszuweisen. Nach den Financial-Fair-Play-Regeln der Uefa dürfen in diesem Zeitraum die Ausgaben aber um maximal 60 Millionen Euro höher sein als die Einnahmen. Deshalb schießt der Ausrüster Nike jetzt über sein Tochterunternehmen Jordan Brand die fehlenden 200 Millionen zu. Das Team trägt nun ein anderes Ausrüsterlogo auf dem Trikot, was die Uefa als neue Sponsorenvereinbarung wertet. Während die Schweizer vom Verband hart bestraft werden, bleibt der in katarischem Besitz befindliche französische Club unbehelligt. So ist das Fußball-Geschäft, sagen viele, kann man nichts dagegen machen.

Gemeinsame Abneigung gegen Montagsspiele

Christian Prechtl ist die Achselzuck-Reaktion auf immer maßlosere Entwicklungen im Fußball irgendwann zu wenig gewesen. Der kritische Fan des VfB Stuttgart, der in Heidelberg eine PR-Agentur betreibt, findet im Waldenbucher Unternehmer Claus Vogt und im Geislinger Marketing-Professor André Bühler Gleichgesinnte. So entsteht Anfang vergangenen Jahres der FC PlayFair!, der den Untertitel „Verein für Integrität im Profifußball e.V.“ trägt. Letztlich in die Gänge gebracht hat den Zusammenschluss die gemeinsame Abneigung gegen die Montagsspiele der ersten Liga.

Seitdem machen die Anzug-Ultras mit PR-Erfahrung regelmäßig auf sich und ihre Anliegen aufmerksam. Es begann mit einer großen Fan-Umfrage in Zusammenarbeit mit dem „Kicker“. Dabei brachten 84 Prozent der 18 000 Teilnehmer ihre Befürchtung zum Ausdruck, dass sich der Profifußball immer weiter vom Fan entfernt. Ebenso viele waren der Meinung, dass durch das viele Geld in der Branche der Bezug zum realen Leben verloren gegangen sei. Eines will FC PlayFair!-Vorstandmitglied Christian Prechtl aber klar stellen: „Wir sind nicht gegen Kommerzialisierung, wir sind gegen zu viel Kommerzialisierung.“

Aktuell bringt dieser besondere Fußballverein seine Anliegen mit elf Thesen unter die Leute. Darin wird zum Beispiel für ein Mitspracherecht der Fans geworben und Scheinvereine, die keine Mitglieder zulassen, als unfaire Wettbewerber bezeichnet. „Unser Verein hat mittlerweile 60 Mitglieder und damit weitaus mehr als RB Leipzig“, sagt Christian Prechtl, der auch mit den FC Play-Fair!-Neuzugängen Werbung machen kann. Dazu gehören der Schiedsrichter Urs Meier, Grünen-Politiker Cem Özdemir und der ehemalige FC Bayern-Pressesprecher Markus Hörwick.

Dass die Gier bedenkliche Formen angenommen hat, wird in diesen Tagen besonders über die Enthüllungsplattform Football-Leaks deutlich, auf der brisante Unterlagen aus der korrupten Welt des Profifußballs öffentlich gemacht werden. Dabei wurden die Steuerhinterziehungspraktiken von Stars wie Lionel Messi und Cristiano Ronaldo ebenso publik wie die Untätigkeit von Fifa-Chef Gianni Infantino bei der Korruptionsbekämpfung. Oder dass es sich Mario Balotelli mit einer Sonderzahlung vergüten lässt, wenn er weniger als dreimal in der Saison vom Platz gestellt wird. Neymar wiederum erhält unter anderem Bonuszahlungen für das Grüßen von Anhängern und das Winken in Richtung Kurve.

Fans wollen nicht nur stimmungsvolle Folklore sein

Der FC PlayFair! hat es sich in diesem Kontext zur Aufgabe gemacht, die Fans wieder in eine stärkerer Position zu bringen. Außerdem soll daran erinnert werden, dass die Anhänger mehr als nur stimmungsvolle Folklore sind, dass ihnen der Fußball auch ein Stück weit gehört. „Fußball ist schließlich Volkssport und nicht reines Business“, sagt Prechtl. Er und seine Mitstreiter haben allerdings den Eindruck, dass versucht werde, „die Zitrone bis auf den letzten Tropfen auszuquetschen“. Deshalb lautet eine Forderung des FC PlayFair!: Beibehaltung der 50+1-Regelung, wonach die Clubs die Anteilsmehrheit halten müssen. „Warum nicht sogar ein 75+1-Modell?“, fragt Prechtl provokant. Außerdem will er, dass über eine Gehaltsobergrenze nachgedacht und der Sonntagnachmittag für die Amateure freigehalten wird. Erste Kontakte mit der Deutschen Fußball-Liga hat es gegeben. Dort will man sich zumindest mal anhören, was die kritischen Fans zu sagen haben.

Der FC PlayFair! wiederum bekommt auch etwas zu hören. Zum Beispiel den Satz: Was wollt ihr denn, die Stadien sind doch voll? Christian Prechtl fragt sich allerdings, ob das dauerhaft so bleibt. Und auf den Einwurf, die Bundesliga sei international nicht mehr konkurrenzfähig, wenn sie den Forderungen des FC PlayFair! Folge leiste, führt Prechtl das spanische Beispiel von Athletic Bilbao ins Feld. Der Club ist seit 1928 durchgehend erstklassig, und das in allererster Linie mit Spielern aus der eigenen Jugend beziehungsweise aus dem Baskenland. „Es geht also auch so“, sagt Christian Prechtl.