Kaum jemand hat heutzutage noch ein Lexikon bei sich zu Hause stehen, schließlich verfügen die meisten Menschen über ein Smartphone. Nun gibt das letzte epische Nachschlagewerk auf: Der Fischer Weltalmanach wird eingestellt.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Büroplätze im eigentlichen Sinne, also innenarchitektonisch moderat subjektiv angehauchte Dreiklänge von Schreibtisch, Stuhl und Pinnwand inklusive Abstelleinrichtungen, kommen aus der Mode. Neuerdings nomadisieren immer mehr Menschen durch die Räume ihrer Arbeitgeber, dabei ihr Mobiliar mitunter wie einen leicht störrischen Hund hinter sich herziehend. Eine Art Rollkoffer muss reichen.

 

Insofern versteht sich fast von selbst, dass Lexika im weiteren Sinn nicht mehr zur Arbeitsgrundausstattung selbst vornehmlicher Geistesarbeiter gehören. In Privathaushalten mag hier und da noch ein alter Brockhaus mit Goldschnitt anzutreffen sein, aber ob wer reinschaut, ist auch eher ungewiss. Dabei: war das nicht immer ein Abenteuer gewesen, buchstäblich nichts ahnend auf den, sagen wir, Wegzwiesel zu treffen? Und dann: Wissen macht Ah!

Sechzig Jahre Weltalmanach

Für absolute Seriosität auf dem Gebiet des politischen Jahrbuchs stand seit sechzig Jahren der Fischer Weltalmanach, ein ursprünglich vom Verlegerehepaar Brigitte und Gottfried Bermann-Fischer nach amerikanischem Vorbild geformter Band, der 1959 zum ersten Mal erschien, randvoll mit „Zahlen Daten Fakten“, wie es selbstreferentiell auch noch mal auf dem nunmehr letzten Pappendeckeleinband heißt: Der Jahrgang 2019 wird leider letzte gewesen sein. Am Ende saßen nur noch zwei Mann in der Redaktion, die zu Zeiten von Konrad Adenauer ihre tadellose Arbeit pikanterweise unter dem ehemaligen Nazi, Geographen und frühen Mandschurei-Abenteurer Gustav Fochler-Hauke aufgenommen hatte.

Der Almanach fehlte in keiner Bibliothek

Der Fischer Weltalmanach fehlte seinerzeit und lange noch in keinem Bibliotheksregal, in keiner wichtigen Behörde und in keiner Schulbücherei, schließlich war die Welt noch kein Dorf und das Wenige, was man zu, zum Beispiel, Afghanistan wissen konnte, stand eben im Fischer drin. Bis heute. Was wüssten wir zur Zwangsarbeit in der usbekischen Baumwollwirtschaft oder, ganz detailliert und wirklich genau, zur Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union? Natürlich kann man sich im weltweiten Netz die Dinge zusammensuchen. Aber derart gebündelt – und zwar in einem Buch, das eine Brücke sein wollte (und war), hatten sie allemal auch was. Perdu!