Frank Dehmer sieht neben der Verwaltung auch den Gemeinderat und seinen Amtsvorgänger in der Verantwortung für den Bauskandal am Michelberg Gymnasium.

Region: Corinna Meinke (com)

Geislingen - Welches persönliche Interesse sollte ich daran gehabt haben, etwas zu vertuschen und mich dafür in der Presse derart kritisieren zu lassen für Entscheidungen und Entwicklungen, die vor meiner Zeit als OB lagen?“

 

Frank Dehmer kontert die Kritik

Mit dieser Frage greift der Geislinger Oberbürgermeister Frank Dehmer (parteilos) die Kritik an der Stadtverwaltung und an seiner Person zur Aufarbeitung der völlig missglückten Sanierung des Michelberg Gymnasiums auf, die der Kommune einen Schaden von rund 21 Millionen Euro beschert hat. Kritisiert wurden die Umstände, unter denen der Siegener Architekt Horst Höfler beauftragt worden war.

Der im Juni 2014 als Nachfolger von Wolfgang Amann neu als Oberbürgermeister gewählte Dehmer war im September 2014 ins Amt eingeführt worden. Den Grundsatzbeschluss, Horst Höfler zu beauftragen, hatte der Gemeinderat jedoch bereits 2013 gefällt. Und der endgültige Baubeschluss des Gremiums mit Vergaben in Höhe von 8,5 Millionen Euro erfolgte im Juli 2014, in der letzten Sitzung, die Dehmers Vorgänger Amann zu verantworten hatte.

Zu Beginn der Planung hätte man über einen externen Projektsteurer sprechen müssen

Damals stimmten bereits die neu gewählten Gemeinderäte mit, zu denen auch die Verwaltungskritiker Sascha Binder (SPD) und Ludwig Kraus (Freie Wähler) zählten (wir haben berichtet). Frank Dehmer nimmt nun in seiner ausführlichen Erklärung die Verwaltung gegenüber Kritikern in Schutz – gesteht aber auch ein, die Verwaltung habe verschiedene falsche oder zu optimistische Einschätzungen getroffen, die sie im Nachhinein bereue und so heute wohl nicht mehr treffen würde.

Aus heutiger Sicht sei für ihn klar, dass man sich bereits zu Beginn der Planungsphase eines solchen Großprojekts über den Einsatz eines externen Projektsteurers unterhalten müsse. Damit habe die Verwaltung bei der momentanen Sanierung des Alten Zolls positive Erfahrungen gemacht. Zwar habe er nach seinem Amtsantritt im Jahr 2014 die Hochbauverwaltung um eine Personalstelle aufgestockt für die Dauer der Bauzeit am Michelberg Gymnasium, doch selbst das sei leider nicht genug gewesen.

Dehmer hatte vor einem großen Risiko gewarnt

Schon vor seinem Amtsantritt hatte Dehmer im Juli 2014 eine Einschätzung dazu abgegeben und erklärt, da es weder einen externen Projektsteurer noch eine Anpassung der personellen Kapazitäten gebe, berge dies ein sehr großes Risiko für das Projekt.

Die aktuelle Debatte hatte sich vor allem an den Fragen entzündet, ob die Stadtverwaltung den Gemeinderat vor der Beauftragung des Architekten Horst Höfler 2014 umfassend informiert hatte. Strittig sind die Fragen, ob Höfler beauftragt werden musste, weil er das Urheberrecht besaß und ob seine Leistungsfähigkeit als Architekt ausreichend geprüft worden sei. Beide Vorwürfe weist Dehmer zurück. Die Frage nach dem Urheberrecht habe die Verwaltung sehr wohl geprüft mit dem Ergebnis, dass dieses im Fall Michelberg Gymnasium bestehe. Es handle sich um eine komplexe Materie, zu der selbst Anwälte oftmals unterschiedliche Meinungen vertreten würden.

Im Geislinger Fall sei Höflers Urheberrecht von niemandem angezweifelt worden, weder von der Architektenkammer, der Rechtsaufsichtsbehörde noch bei Prüfungen durch die Gemeindeprüfungsanstalt. Dehmer spricht stattdessen von einer falschen Kommunikation, weil damals der Öffentlichkeit gesagt worden sei, man habe Höfler wegen dessen Urheberrecht beauftragen müssen.

Eine große Mehrheit des Gemeinderats hat 2013 Höflers Konzept zugestimmt

Richtig sei, dass der Gemeinderat Höflers Konzept zur energetischen Sanierung der Schule wollte und deshalb die Verwaltung beauftragte, zu prüfen, ob diese Beauftragung ohne europaweite Ausschreibung rechtlich überhaupt zulässig sei. Daraufhin habe eine große Gemeinderatsmehrheit Höflers Konzept im März 2013 gebilligt.

Zu der Frage, wie mit anonymen Schreiben umgegangen worden sei, die vor einer Zusammenarbeit mit Höfler gewarnt hatten, erklärt Dehmer, diese seien nicht ernst genug genommen worden: „Verschiedene Punkte wurden in Gesprächen mit dem Architekten vermeintlich entkräftet oder man hatte sich vorgenommen, dass man hier im Verlauf des Projekts entsprechend aufpassen muss.“ Dem damaligen Gemeinderat sei der Inhalt des anonymen Schreibens bekannt gewesen.

Die unbekannte Bauweise war für die Firmen Neuland

Frank Dehmer nutzt jetzt die Gelegenheit, auch an seine Stellungnahme vom 13. Juli 2014 zu erinnern, in der er als künftiger Oberbürgermeister seine stellenweise sehr kritische Haltung zur geplanten Sanierung des Michelberg Gymnasiums erklärte. Darin heißt es: „Bedenken habe ich lediglich bei der energetischen Sanierung der Außenfassade. Hier gibt es zwei Gründe: Zum einen das hohe Kostenrisiko bei dieser auf dem Markt unbekannten Bauweise (...)“, die während der Bauzeit sicher mit entsprechenden Nachträgen der ausführenden Firmen verbunden sein würde zumal eine solche Fassade auch für diese Firmen Neuland bedeute. Und zweitens zweifle er an den Berechnungen zur Energieeinsparung.

Außerdem sah Dehmer die Vergabe der Sanierungsarbeiten in mehreren Punkten als äußerst kritisch an. Er zählte damals auf: die fehlenden Angebote für relativ große Posten und die Tatsache, dass die Zeit knapp war, diese nach ihrem Eintreffen noch bis zu der besagten Gemeinderatssitzung im Juli 2014 rechnerisch und fachtechnisch zu prüfen. Und das alles vor dem Hintergrund, dass die probeweise installierte Musterfassade seiner Meinung nach zahlreiche Schwächen aufzeigte.

Dehmer warb dafür, noch einmal über das Projekt nachzudenken

Zum Problem Zeitdruck erklärte Dehmer damals, er hätte ein besseres Gefühl, wenn man die Sanierung der Fassade noch einmal durchdenken würde. Selbst wenn er bereits im Amt wäre, würde er sich mehr als schwer tun, Aufträge dieser Größenordnung auf diese Art und Weise zu vergeben, da es bei der ersten Ausschreibung extrem hohe Abweichungen zur Kostenberechnung gegeben habe, die zweite Ausschreibung zum Teil ohne Angebote geblieben sei und die Angebote nach einer beschränkten Ausschreibung zur Vorberatung im Gemeinderat zum Teil noch nicht da gewesen seien.