Hans-Jürgen Kuhl hat als international gesuchter Geldfälscher Geschichte geschrieben. Eine Fernsehdokumentation zeigt ihn in einer Reihe mit Kriminellen, die wegen ihrer Finesse eher bewundert statt gefürchtet werden.
Köln - „Wollt Ihr mit mir etwa den Oscar gewinnen?“ Ihr, damit meint Hans-Jürgen Kuhl das ZDF. Der 72-Jährige grinst, wenn er erzählt, mit wie viel Liebe zum Detail der Sender seinen Coup verfilmt hat. Kuhl ist Grafiker, aber bekannt wurde er als Geldfälscher. Um seinen Namen rankten sich abenteuerliche Geschichten. Das Bundeskriminalamt (BKA) und der US-amerikanischen Secret Service, sie alle waren hinter ihm her.
Am 22. Mai 2007 stürmten 30 Männer einer GSG-9-Truppe Kuhls Atelier in Köln-Pulheim und nahmen ihn fest. Man fand 16,5 Millionen gefälschter Dollarnoten in Kartons. Es war der weltweit drittgrößte Fund von falschem US-Papiergeld. Die Blüten seien perfekt gewesen, sagten Spezialisten vom BKA, erschreckend perfekt. Als die Handschellen klickten, waren sich die Beamten sicher, sie hätten einen internationalen Ring ausgehoben und Kuhl sei der Kopf. Ein Missverständnis: der vermeintliche Ring bestand nur aus einer Handvoll Kleinganoven ohne Auftraggeber.
Die Polizei setzt einen blonden Lockvogel auf ihn an
Auf die Spur war die Polizei Kuhl nur deshalb gekommen, weil die Komplizen den Ausschuss aus der Dollarproduktion auf einer Mülldeponie entsorgt hatten. In Säcken mit geschredderten Noten fanden die Beamten auch die Schnipsel eines Briefumschlags. Darauf stand die Adresse von Hans-Jürgen Kuhl, Donatusstraße 158, Köln-Bickendorf.
Wochenlang wird Kuhl observiert, das BKA hört 16 000 Telefonate ab und setzt einen weiblichen Lockvogel auf ihn an. Sie bestellt Dollarnoten bei ihm. Eine zierliche Blondine, Mitte 20, „ein hübsches Ding“, raunt Kuhl, der ewige Junggeselle. Sie nennt sich Marie Sophie Susann Falkenthal. Ein Name wie aus dem ZDF-Herzkino. Als sie kommt, um die Blüten abzuholen, erfolgt der Zugriff. Das ZDF hat die Verhaftung noch einmal nachgestellt. Man sieht, wie Hans-Jürgen Kuhl (gespielt von Christian Berkel) überwältigt wird, wie er auf dem Bauch im Dreck landet und seine Brille zersplittert. Er sagt, genau so sei es gewesen. Er spüre noch heute den Stiefel des GSG-9-Beamten im Nacken.
Ein Robin Hood, nein, das war er nicht
Eine Szene wie aus einem Freitagskrimi. Doch das ZDF hat die Dokumentation „F wie Fälschung – Blütenträume“ für die Reihe „Terra X“ gedreht. Es ist eine Hommage an jene Kriminellen, die für ihre Finesse eher bewundert als gefürchtet werden – wie etwa der Brite David Hartley, der im 18. Jahrhundert kleine Stücke vom Rand von Goldmünzen abknipste, daraus neue schmolz und sie unter den Armen verteilte. „King David“, wie der Mann genannt wurde, endete am Galgen.
Kuhl dagegen hat nichts von einem Robin Hood, ihm ging es um seine Altersvorsorge. Daraus macht er keinen Hehl. Sechs Jahre Gefängnis brummten ihm die Richter auf. Er kam noch glimpflich davon. Er hat die Straße im offenen Vollzug verbüßt, wohnortnah. Morgens verließ er die JVA für die Arbeit in seinem Atelier. Er sagt: „Sonst hätte ich wohl Schluss gemacht.“ Hans-Jürgen Kuhl lächelt müde, wenn man ihn fragt, wie es ihm nach seiner Verhaftung erging. Er ist vor der Ausstrahlung der Doku nach Berlin gekommen, um Interviews zu geben. Ein nervöser Schlaks mit einer Stimme, die heiser ist von den vielen Zigaretten. Silbergraues Haar rahmt sein fein geschnittenes Gesicht. Mundwinkel, die herabhängen. Um den dürren Oberkörper schlabbert ein Sakko. Kuhl steht wie ein Fragezeichen in einem Kabuff im ZDF-Hauptstadtstudio. Es ist der einzige noch freie Raum für Einzelinterviews. Keine Fenster, keine Aschenbecher. Er sagt: „Ich komme mir vor wie im Gefängnis.“
Modemacher und Partykönig – ein Leben am Limit
Der Absturz des Hans-Jürgen Kuhl begann früh. Als Kind war er ein Virtuose an der Nähmaschine. In den sechziger Jahren ein gefeierter Modemacher und Produzent von Hotpants, von Höschen aus Leder. Kokspartys, Frauen, Nächte in Spielcasinos: Kuhl führt ein Leben am Limit, zwischen Monte Carlo und Köln-Bickendorf. Geld spielte keine Rolle, solange er genug davon hatte. Einen Zocker, so nennt er sich selber. Als es mit der Mode nicht mehr lief, sattelte er auf Siebdrucke um – Pop-Art von Warhol, erst kopiert, dann leicht variiert, als sich der Künstler beschwerte. Vom Warhol zur Dollarnote war es nicht mehr weit.
Klar sei ihm die Sache peinlich, aber ein schlechtes Gewissen habe er nie gehabt, versichert Kuhl. Außerdem sei das Ganze ja nicht seine Idee gewesen. Ein befreundeter Albaner aus dem Rotlichtmilieu habe ihn darauf gebracht. Frische Dollar für den irakischen Markt, ein todsicheres Ding, erzählte ihm der Freund. Für zehn Millionen Blüten könne er zwei Millionen echte Dollars lockermachen. Kuhl zuckte, die Geschäfte liefen schlecht. Pop-Art gab es jetzt bei Ikea billiger. Er, der Fabrikantensohn aus einem Haus mit Butler, stand zum ersten Mal vor der Frage: Muss ich zum Sozialamt? Kuhl entschied sich anders. Er setzte alles auf eine Karte. Ein Coup, und er wäre alle Sorgen los. Kuhl kratzte 11 000 Euro für eine Druckmaschine zusammen. Doch der Deal platzte. Die Noten seien also nie in Umlauf geraten, beteuert Kuhl. Als Künstler, der aus Versehen vom rechten Weg abgekommen ist, so sieht er sich selber. Heute lebt Kuhl von einer schmalen Rente. Sein Atelier ist sein Zuhause. Ein 100-Dollar-Schein erinnert ihn an den gescheiterten Coup. Er hängt gerahmt an der Wand im Büro. In der Mitte der Kopf eines Mannes, der als US-Präsident und Verfasser der Unabhängigkeitserklärung Geschichte schrieb, auch er ein gelernter Drucker. Kuhl nennt ihn „meinen Franklin“.