Zum grün-schwarzen Koalitionsvertrag gehören auch interne Zusätze, aber die Beteiligten hüllen sich in Schweigen. Die CDU-Basis und die SPD macht das misstrauisch.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Thomas Strobl gab sich viel Mühe mit den Delegierten. Punkt für Punkt reagierte der CDU-Landeschef beim Parteitag in Ludwigsburg auf die Anmerkungen der Basis zum grün-schwarzen Koalitionsvertrag. Jede Rednerin und jeder Redner bekam eine Antwort, selbst für ziemlich abseitige Beiträge fand Strobl noch halbwegs freundliche Worte.

 

Nur eine Frage überhörte der Parteichef konsequent, obwohl sie im Lauf der Debatte wiederholt gestellt wurde, auch von einem ehemaligen Referenten Erwin Teufels: Wie verhalte es sich eigentlich mit Nebenabsprachen zum Koalitionsvertrag ? Um das gesamte 140-Seiten-Werk beurteilen zu können, wüsste man doch gerne, was darüber hinaus vereinbart worden sei. Das solle der Parteichef doch bitte offenlegen.

Gäbe es keine Nebenabreden, hätte Strobl das klar sagen können. Doch er wollte das Parteivolk offensichtlich nicht anschwindeln und schwieg daher lieber. „Nebenabreden bestehen nicht“ – das ist eine übliche Klausel in Verträgen, auch solchen, die das Land schließt. Doch eine Koalitionsvereinbarung ist kein normaler Vertrag; über seine rechtliche Qualität sind sich die Experten uneins. Und Absprachen, die der Öffentlichkeit vorenthalten bleiben, sind in der Politik nicht unüblich.

Es geht den Parteien auch darum, das Gesicht zu wahren

Auch beim „historischen“, bundesweit ersten grün-schwarzen Pakt ist das nicht anders. Was am Montag mit festlichem Gepräge im Kunstmuseum unterzeichnet wurde, ist nur der offizielle Teil. Dass es daneben weitere Vereinbarungen gebe, wurde unserer Zeitung aus Koalitionskreisen mehrfach bestätigt. Nur zu deren Inhalt hüllten sich alle Beteiligten in Schweigen. Zum Teil sollen sie dazu dienen, Formulierungen zu präzisieren, die zwecks Gesichtswahrung bewusst vage gehalten wurden. Bei manchem Thema erschließt sich offenbar erst mit der ergänzenden Abmachung vollends, welche Partei sich wirklich durchgesetzt hat – bei der Windkraft, zum Beispiel, soll die grüne Handschrift dadurch angeblich noch sichtbarer werden.

Bei anderen Vorhaben wollte man die Öffentlichkeit und die Betroffenen erkennbar nicht vorzeitig aufschrecken. Die Passagen zur Finanzpolitik etwa bleiben besonders unkonkret. Das Stichwort Grunderwerbsteuer taucht darin nicht auf, obwohl hinter den Kulissen schon mal eine Anhebung ins Auge gefasst wurde. Die Option hält man sich anscheinend offen – fixiert per Nebenabrede? Auch für Personalentscheidungen ist diese ein beliebtes Instrument, um schon mal ein „Vorschlagsrecht“ festzuhalten. Das zeigt sich erst, wenn die fragliche Position frei wird: die Partner sind sich dann erstaunlich einig, wer sie besetzen darf – natürlich per ergebnisoffenem, blitzsauberem Verfahren.

Im Vertrag pocht Grün Schwarz auf Transparenz

Prompt gab es von der Opposition bereits Kritik an vermuteten Nebenabreden. „Ich halte das für ein problematisches Signal, wenn man den eigenen Mitgliedern und der Öffentlichkeit nur einen Teil der Wahrheit sagt“, rügte der neue SPD-Fraktionschef Andreas Stoch via dpa. Das sei das Gegenteil von Transparenz und Offenheit und lasse von Grün-Schwarz nichts Gutes erwarten, grantelte Stoch.

Im Koalitionsvertrag immerhin bekennen sich Grüne und Schwarze zu offener Information. „Transparenz erhöhen“, lautet ein Zwischentitel, „Transparenz ist die Basis für Dialoge, sie garantiert Vertrauen“, steht an anderer Stelle. Mehr als ein Dutzend Mal findet sich der Begriff auf 140 Seiten. Wie passt das zu Geheim-Zusätzen?

Auf Nachfrage unserer Zeitung wurde die Intransparenz immerhin transparent erläutert. Ja, es gebe inhaltliche Nebenabreden, bestätigte ein CDU-Sprecher. Zweck sei es, Ziele zu konkretisieren und deren Umsetzung zu erleichtern. Zudem dienten sie dazu, mögliche Reibungspunkte „schon im Vorfeld auszuräumen“ und so die Zusammenarbeit zu optimieren. Auch eine Grünen-Sprecherin sagte, Nebenabreden seien „an manchen Stellen schlicht und ergreifend notwendig“; darin würden „Details und Formalia“ fixiert, die nicht in den Vertrag gehörten. So werde verhindert, „dass später unterschiedliche Interpretationen und damit Konflikte entstehen“.