Der Höfinger Günter Zerweck ist ein begeisterter Fotograf, dessen Bilder an Malerei erinnern
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Leonberg - Die zwei Acrylbilder in Rottönen, die an der weißen Wand im Wohnzimmer über dem Sofa nebenaneinander hängen, bleiben ein Rätsel. Und das ist nicht ganz ungewollt. „Bei meinen Bildern werde ich immer nach den Motiven gefragt, aber ich verrate es ungern, bevor sich der Betrachter nicht selbst damit auseinandergesetzt hat“, sagt Günter Zerweck. Sonst beschäftige sich jener nicht mehr mit Farbe, Verteilung und Dynamik, sondern versuche herauszufinden, ob er das ursprüngliche Motiv erkennen könne. „Meine Bilder sagen jedem etwas anderes, und gerade das finde ich sehr spannend“, meint der passionierte Fotograf, der ihnen auch deshalb nie Titel gibt.

 

Seine Fotografien zeigen Alltägliches, das kann eine beleuchtete Wand, eine Tür oder eine Treppe sein, aber sie sind auf Farben und Formen reduziert und damit fast bis zur Unkenntlichkeit abstrahiert. „Ich experimentiere mit der Kamera und probiere vieles aus“, sagt der Höfinger, den vor allem die Architektur reizt. Menschen oder Landschaften indes findet man auf seinen Bildern nur selten. Bewegungen spielen für ihn eine wichtige Rolle, sei es das Objekt selbst, das sich bewegt oder aber die Kamera. Oft arbeitet er mit extremer Überbelichtung. „Dadurch verschwinden normale Strukturen, und es entstehen Spiegelungen“, erklärt er. Ebenen werden gebildet, Elemente, die sich überlagern. Zerweck spricht dabei von „Collagen“.

Oft arbeitet er mit extremer Überbelichtung

Was herauskommt, grenzt an Malerei. „Schon seit Jahren entferne ich mich mit meinen Arbeiten von der Fotografie hin zu einer eher abstrakten Gestaltung“, sagt Zerweck und erinnert sich an eine Kunstkollegin, die ihm wohl auch zurecht attestierte, er würde „mit der Kamera malen“. Die ganze Arbeit passiert ausschließlich am Auslöser, die Bilder werden nicht nachträglich bearbeitet. Diese würden schon mal den einen oder anderen „verwirren“, weil sie bei Fotografie eher Dokumentarisches erwarteten. „Gleichzeitig schaffe ich aber die Möglichkeit, dass sich der Betrachter voll und ganz auf das Bild konzentrieren kann und nicht auf das aufgenommene Motiv“, sagt er.

Der 71-Jährige ist ein Perfektionist. Für eine seiner Fotografien, bei der er den Stuttgarter Schlossplatz durch eine Scheibe des Kunstmuseums ablichtete, war er fast eineinhalb Jahre auf der Lauer. „Das Licht musste stimmen wie auch das Wetter, und dann war die von mir ausgesuchte Scheibe lange Zeit kaputt“, berichtet er. Von einem gelungenen Bild spricht er dann, „wenn es ein halbes Jahr im Wohnzimmer hängt, ohne mich zu langweilen“. „Es geht nicht nur um Dekoration, ich muss eine Beziehung zu dem Bild aufbauen, und es muss mich beschäftigen“, erklärt der Höfinger.

Mit der Zeit wachsen die Ansprüche

Zerweck bezeichnet sich als Autodidakt. Angefangen hatte alles mit der „klassischen Knipserei“ auf Urlaubsreisen. Später arbeitete der Industriekaufmann vorwiegend mit Diafilm. Mit der Zeit wuchsen die Ansprüche, sein Blick wurde geschärft, und er schaffte sich eine Digitalkamera an. „Am Anfang habe ich damit gefremdelt, aber inzwischen weiß ich es zu schätzen“, sagt der Mann, der in der Folge zahlreiche Ausstellungen besuchte und sich unter anderem von Stefan Heyne inspirieren ließ. „Er ist ein ganz Verrückter, da ist teilweise fast nichts zu sehen auf seinen Bildern!“, sagt der gebürtige Leonberger mit einem Schmunzeln.

Erstmals zeigte er seine Fotografien im Jahr 2010 im Alten Rathaus in Höfingen. Es folgten Ausstellungen in Asperg, in der Leonberger Stadthalle, in Herrenberg, Waiblingen, Basel, Mannheim und Korntal. Ende Januar stellt Zerweck als Mitglied im Kunstverein „Kunst Stuttgart International“ seine Bilder im Rahmen der Kunstmesse „art3f“ auf der Paris-Expo auf dem Stand der Galerie Andreas Kerstan aus. „Es ist schon etwas Besonderes, wenn man seine Arbeiten an einem Ort wie Paris präsentieren darf, das merkt man auch an den Reaktionen“, sagt der 71-Jährige, der auch Finalist beim Internationalen Kunstpreis des Syrlin-Kunstvereins war.

Er löst das Rätsel auf

Am Ende des Gesprächs und nach vergeblichen Mühen, die ursprünglichen Motive auf den beiden Bildern über dem Sofa zu deuten, löst Günter Zerweck das Rätsel dann auf. Verraten wird hier aber nichts. Da soll doch bitte schön jeder auf Entdeckungsreise gehen – ganz im Sinne des Erschaffers!