Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Ihre neueren Kinderbücher, etwa die kluge Erdmännchen-Parabel „Ich wär so gern . . .“ floppten im Vergleich mit dem „Kleinen Maulwurf“ . Wie erklären Sie sich das?
Na, von einem Flop kann man bei 12 000 verkauften „Erdmännchen“-Exemplaren wohl nicht gerade sprechen. Dass es manche Bücher nicht in die Bestsellerlisten schaffen, liegt auch ein wenig an der mangelnden werblichen Unterstützung. Einige Verlage melken lieber bereits erfolgreiche Werke, indem sie eine Serie daraus machen, ein Malbuch dazu, dann noch ’n Hörbuch und drum herum jede Menge Merchandising-Mist! Noch mehr frustriert mich, dass ich ein Musical geschrieben habe, für das sich niemand interessiert. Die Story geht so: Dem Jungen Redeschön wird von seiner Mutter, einer Zauberin, das Fluchen verboten. Eines Tages liest Redeschön im Zauberbuch seiner Mutter. Mit diesem Wissen gelingt es ihm, der Menschheit alle Schimpfwörter zu klauen. Die Erwachsenen freuen sich, dass ihre Kinder nicht mehr fluchen. Doch das führt schließlich dazu, dass auch der Spaß verschwindet.
Warum setzen Sie sich künstlerisch mit dem Thema „Druck in der Kindheit“ auseinander, hat das womöglich mit Ihrer eigenen Lebensgeschichte zu tun?
Könnte sein. Im Progymnasium in Winnenden habe ich als unsportlicher Typ unter einem Sportlehrer, Typ Altnazi, sehr gelitten. Auch die Bundeswehr lehnte ich ab. Da bin ich lieber aus meiner schwäbischen Heimat nach Berlin gegangen, wo einen damals der Bund in Ruhe lassen musste, und habe mich an der Hochschule für Bildende Kunst eingeschrieben. Als Student arbeitete ich an einem Werbeprojekt für die Post mit. Mit meinem Text gewann ich gleich einen Preis, und die Agentur lud mich nach Hamburg ein. So ging meine Texter-Karriere los.
Später haben Sie Werbung für Zigaretten, Cognac oder Putenfleisch gemacht. Dachten Sie dabei auch mal an Lungenkrebs, Alkoholismus oder Massentierhaltung?
Nein. Meine Grenze lag bei Psychopharmaka und Werbung für Atomkraftwerke. Es ist das Schizophrene in der Werbung, dass man als kreativer Macher gar nicht ans Produkteverkaufen denkt. Man will einfach tolle Fernsehspots und Zeitschriftenanzeigen gestalten und dafür Auszeichnungen vom Art Directors Club bekommen. Dafür arbeitet man 15, 16 Stunden am Tag, sogar an den Wochenenden.
Waren Sie auch ein Workaholic?
Ja, einen Großteil meines Berufslebens habe ich damit verbracht, für Output zu sorgen. Vor lauter Arbeitseifer bekam ich nicht mit, wie meine beiden Söhne aus erster Ehe aufwuchsen. Erst jetzt, wo ich wieder einen kleinen Sohn habe, ist mir klar geworden, was ich damals versäumt habe.
Sind Sie als Professor an die Bauhaus-Universität nach Weimar gegangen, um einen ruhigeren Job zu haben?
Nein, das geschah – so blöd es vielleicht klingt – rein zufällig. 1992 bin ich aus einer Werbeagentur in Frankfurt am Main, die ich mitbegründet hatte, mit einer ziemlich hohen Abfindung ausgestiegen. Drei Jahre später wurde ich aufgefordert, mich für die Professur in Weimar zu bewerben. Ich hatte kein gesteigertes Interesse an der Stelle, sie finanziell nicht nötig – und vermutlich habe ich sie genau deswegen bekommen. Ich war in der komfortablen Lage, vor der Berufungskommission selbstbewusst, ja geradezu dreist auftreten zu können.
Mit Ihren Studenten entwickelten Sie Kampagnen gegen Neonazis und sexuellen Missbrauch in der Familie. Was bringen solche Projekte, wenn die Absolventen anschließend Werbung für Waschmittel machen?
Ich habe versucht, meine Studenten so zu erziehen, dass ihr Lebensziel eben nicht die Gestaltung von Waschmittelwerbung ist. Eine Universität muss hohe Anforderungen stellen – aber nicht nur an die Studenten, auch an das Lehrpersonal. Von meinen Kollegen wurde ich als Unruheherd wahrgenommen, weil ich es nicht ertragen konnte, wenn sich jemand schon lange vor der Pensionierung zur Ruhe setzt. Ja, ich habe meine Studenten oft gegen andere Professoren aufgehetzt. Ich bin eben ein Typ, der nicht die Klappe halten kann, wenn ihm etwas stinkt.