Er war der berühmteste Komponist der Stadt Esslingen. Die Musikszene entdeckt Christian Fink wieder

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Er galt als der vortrefflichste Orgelvirtuose und Musiktheoretiker seiner Zeit. Der Esslinger Komponist Christian Fink, der von 1849 an in Esslingen lebte und dort zahlreiche Ämter inne hatte, war nicht nur in der Stadt hoch geschätzt, sondern auch in ganz Deutschland. Freilich war es eine Zeit der musikalischen Umbrüche, die von der Abkehr der spätromantischen Tonkunst in Deutschland einerseits und der generellen Abkehr vom Kunstlied andererseits geprägt war.

 

Zeit der musikalischen Umbrüche

Beides Disziplinen, die Fink zwar meisterhaft beherrschte, die aber doch ihren Teil dazu beigetragen haben, dass sein Nachruhm verblasste. Dennoch, wer tiefer in das Esslinger Musikleben schaut und sich beispielsweise fragt, warum gerade in der Franziskaner-Kirche eine Orgel steht, die viel zu groß und zu wuchtig für das Kirchengebäude zu sein scheint, der weiß, dass das Orgelspiel in Esslingen einst einen riesigen Stellenwert hatte, was sicherlich auch auf das Wirken von Christian Fink zurückzuführen ist.

Vom Wert der Finkschen Werke überzeugt ist der Esslinger Pianist Robert Bärwald, der sich vorgenommen hat, den musikalischen Schatz zu heben. Vor Kurzem hat er eine CD mit Finks Werken eingespielt, am 20. Januar um 17 Uhr musiziert er im Alten Rathaus in Esslingen mit der Sopranistin Christine Reber Lieder von Christian Fink. Der Eintritt ist frei.

Fink hätte sich sicherlich sehr gefreut über die späte Ehre. Er war ein bescheidener Mann, Sohn eines Lehrers aus Dettingen am Albuch und kam aus ärmlichen Verhältnissen. So arm wie seine Familie war, so reich war sein Talent. Er wurde im Stuttgarter Waisenhaus am heutigen Charlottenplatz ausgebildet. Sein Talent erregte soviel Aufsehen, dass er von der berühmten württembergischen Königin Olga ein Stipendium erhielt, um sich in Leipzig und Dresden auszubilden.

Musik aus dem Hegelschen Weltgeist

Es war die Zeit, in der die deutsche und vor allem die Wiener Tonkunst den weltweiten Führungsanspruch beanspruchte. Zwei Schulen gab es in der Nachfolge von Beethoven, die Programmmusiker, die mit Tönen Bilder malten, und die Vertreter der absoluten Musik, zu denen vor allem Johannes Brahms zählte. Auch Fink hielt sich an Brahms, nicht jedoch ohne sein eigenes Werk auf ein festes philosophisches Fundament zu gründen. Fink hatte bei seinem Lehrer Moritz Hauptmann den harmonischen Dualismus von Dur und Moll studiert. „Es handelt sich um eine Herleitung musikalischer Gesetzmäßigkeiten aus dem Hegelschen Weltgeist“, sagt dazu Robert Bärwald, „etwas salopper formuliert: die Widerspieglung des Menschlichen im musikalischen Alltag.“

1849 kam Fink zunächst als Aushilfslehrer nach Esslingen und wurde von 1860 an Musiklehrer am Esslinger Lehrerseminar sowie Musikdirektor der Stadtkirche St. Dionys. Von 1863 an war er Leiter des Esslinger Oratorienvereins. Neben diesen drei Tätigkeiten schrieb er etwa 153 Werke, die meisten für Orgel. Er wurde zur bedeutendsten musikalischen Autorität in Württemberg und starb hochgeehrt im Jahr 1911.

1931 wurde der 100. Geburtstag von Christian Fink noch einmal groß gefeiert, danach geriet der Komponist in Vergessenheit. Nur der Christan-Fink-Weg in Esslingen-Hegensberg erinnert an den glanzvollen Virtuosen. Und natürlich Robert Bärwalds Einspielung.