Ob es ihn zurückzieht ins Schwabenland, nach Stuttgart, nach Affstätt, wo er die ersten sechs Jahre seines Lebens verbracht hat? Nach Affstätt eher nicht, sagt er, auch wenn er dort finde, was ihm in Paris fehle – Wiesen, Bäume, Pferde –, und auch wenn ein Jugendfreund dort ein Restaurant betreibe. Eine Rückkehr nach Stuttgart kann sich der Wahlfranzose eher vorstellen. Er schätzt die Thermalbäder der Stadt und die Wälder ringsum.

 

Aber Paris ist eben Paris. Im Osten der Stadt hat er eine Wohnung gefunden, in einer Straße, die dem Film von der fantastischen Welt der Amélie entnommen scheint: Kopfsteinpflaster, lavendelfarbene Fensterläden, schmiedeeiserne Gartentore. Seiden Schwans Ex-Frau lebt in Paris, mit der er sich nach wie vor gut versteht, sowie die achtjährige Tochter. Er ist längst nicht mehr nur des Berufs wegen in Paris, er ist dort zu Hause.

Bird verschwindet in einem Seitenraum, um sich ein neues Teil überzustreifen. Während sie eine Auszeit nimmt, muss der Fotograf durcharbeiten. Die 23-jährige Gomis steht vor ihm. Sie trägt auf ihre afrikanische Herkunft anspielende sandwüstenfarbene Kleider mit Leopardenmuster.

Die knallharten Gesetze der Branche

Bird nutzt die Pause für Privates, tippt auf ihrem Smartphone herum, nippt an einer Tasse Tee. Eines dieser elfenähnlichen Wesen scheint sie zu sein, die an Kiosken von Magazinen wie „Vogue“ oder „Elle“ herabschauen. Nicht die geringste Unebenheit ist an ihr auszumachen. Was nicht heißt, dass sie charakterlos glatt wirkte. Dass sie ein erfolgreiches Model ist und schon die Titelseite der „Vogue“ geschmückt hat, dann deshalb. Ob Bird bei der Pariser Fashion-Week, auf der sich bis 8. März berühmte Modehäuser wie Chanel, Hermès, oder Dior präsentieren, über den Laufsteg stolzieren wird? „Dafür bin ich mit 26 Jahren zu alt“, sagt sie. „Die Gesetze der Modebranche sind knallhart.“

Schmerzlich ist das für sie. Défilés sind ihr das Schönste, was die Welt der Mode zu bieten hat. Für Céline ist sie über den Laufsteg stolziert, hat das Glück bis zur Neige ausgekostet. Auf Schuhen mit Absätzen nicht breiter als eine Centstück hatte sie zu balancieren. Sie stand im Scheinwerferlicht, ihr schlugen Bewunderung, Beifall entgegen. „Es gibt nicht viele Berufe, in denen einem das vergönnt ist.“

Seiden Schwan ist Hindernisse gewohnt. Bevor er im Pariser Modezirkus seinen Platz finden sollte, hatte er einen schier endlosen Hürdenlauf zu absolvieren. Ein Jahrzehnt lang durfte er nicht einmal auf den Auslöser drücken. Mit Handreichungen hatte er sich zu begnügen, den ihn ausbildenden Fotografen Lampen, Reflektoren und Stativ aufzustellen. So bitter ihn das ankam, versüßt wurde es ihm dadurch, dass er Altvorderen über die Schultern schauen, sich Wichtiges abgucken konnte.

Wasserhähne statt Models

Altensteig, Hannover, Leonberg und Stuttgart waren Stationen auf dem Weg nach Paris. Anstatt Models lichteten Seiden Schwans Ausbilder Wasserhähne, Stereoanlagen oder Autos ab, was insofern passte, weil er nach dem Gymnasium eine technische Ausbildung absolviert und sich zunächst in der Softwarebranche verdingt hatte.

In Stuttgart riskierte er den Schritt in die Selbstständigkeit. Als freier Assistent bot er Fotografen seine Dienste an. Bis er dann, 26 Jahre alt, aufs Ganze ging. Im August 1995 war es, in den Sommerferien: Seiden Schwan suchte Telefonnummern Pariser Modefotografen heraus, empfahl sich als Gehilfe. „Aus reiner Neugier, ich wollte wissen, wie das ist, in der Stadt der Mode zu fotografieren.“

Es war anders als alles, was er zuvor erfahren hatte. Wesentlich professioneller ging es in Paris zu und dies in äußerst entspannter, ja fröhlicher Atmosphäre. Als im November 95 in Stuttgart das Telefon klingelte und einer der Pariser Fotografen fragte, ob Seiden Schwan ihm assistieren wolle, musste der Angerufene nicht lange überlegen.

Er sehnt sich nach den Stuttgarter Wäldern zurück

Ob es ihn zurückzieht ins Schwabenland, nach Stuttgart, nach Affstätt, wo er die ersten sechs Jahre seines Lebens verbracht hat? Nach Affstätt eher nicht, sagt er, auch wenn er dort finde, was ihm in Paris fehle – Wiesen, Bäume, Pferde –, und auch wenn ein Jugendfreund dort ein Restaurant betreibe. Eine Rückkehr nach Stuttgart kann sich der Wahlfranzose eher vorstellen. Er schätzt die Thermalbäder der Stadt und die Wälder ringsum.

Aber Paris ist eben Paris. Im Osten der Stadt hat er eine Wohnung gefunden, in einer Straße, die dem Film von der fantastischen Welt der Amélie entnommen scheint: Kopfsteinpflaster, lavendelfarbene Fensterläden, schmiedeeiserne Gartentore. Seiden Schwans Ex-Frau lebt in Paris, mit der er sich nach wie vor gut versteht, sowie die achtjährige Tochter. Er ist längst nicht mehr nur des Berufs wegen in Paris, er ist dort zu Hause.

Bird verschwindet in einem Seitenraum, um sich ein neues Teil überzustreifen. Während sie eine Auszeit nimmt, muss der Fotograf durcharbeiten. Die 23-jährige Gomis steht vor ihm. Sie trägt auf ihre afrikanische Herkunft anspielende sandwüstenfarbene Kleider mit Leopardenmuster.

Die knallharten Gesetze der Branche

Bird nutzt die Pause für Privates, tippt auf ihrem Smartphone herum, nippt an einer Tasse Tee. Eines dieser elfenähnlichen Wesen scheint sie zu sein, die an Kiosken von Magazinen wie „Vogue“ oder „Elle“ herabschauen. Nicht die geringste Unebenheit ist an ihr auszumachen. Was nicht heißt, dass sie charakterlos glatt wirkte. Dass sie ein erfolgreiches Model ist und schon die Titelseite der „Vogue“ geschmückt hat, dann deshalb. Ob Bird bei der Pariser Fashion-Week, auf der sich bis 8. März berühmte Modehäuser wie Chanel, Hermès, oder Dior präsentieren, über den Laufsteg stolzieren wird? „Dafür bin ich mit 26 Jahren zu alt“, sagt sie. „Die Gesetze der Modebranche sind knallhart.“

Schmerzlich ist das für sie. Défilés sind ihr das Schönste, was die Welt der Mode zu bieten hat. Für Céline ist sie über den Laufsteg stolziert, hat das Glück bis zur Neige ausgekostet. Auf Schuhen mit Absätzen nicht breiter als eine Centstück hatte sie zu balancieren. Sie stand im Scheinwerferlicht, ihr schlugen Bewunderung, Beifall entgegen. „Es gibt nicht viele Berufe, in denen einem das vergönnt ist.“

Seiden Schwan kann Birds Rede von den knallharten Gesetzen der Branche bestätigen. Er bekam sie zu spüren, als sich für ihn die Tore zum Paradies zu öffnen schienen. Vor zehn Jahren war das. Magazine wie „Elle“ hatten ihn entdeckt, unter Vertrag genommen. Er verdiente gutes Geld. Aber Ruhm und Reichtum hatten ihren Preis. Er, der geradeheraus zu sagen pflegt, was er denkt, rieb sich an der Scheinheiligkeit eines Gewerbes, in dem man zu bluffen hat „Um in der Pariser Modeszene Erfolg zu haben, musst du nicht unbedingt der Tollste sein“, sagt er. „Aber du musst zumindest so tun, als ob.“

Auf der Suche nach einem Mittelweg

Hart kam Seiden Schwan zudem an, dass er nicht so kreativ zu Werke gehen durfte, wie er gedacht hatte. Als Fotokünstler hatte er in Paris begonnen. Für Magazine wie „Dazed & Confused“ hatte er mit der Kamera experimentiert, die Grenzen konventioneller Modefotografie überschritten. Wenn kommerziell ausgerichtete Magazine wie etwa „Elle“ auf ihn aufmerksam geworden waren, dann deshalb, „weil sie das Künstlerische cool fanden“.

Um der mit dem Künstlerleben einhergehenden Armut zu entkommen, hatte er 2007 beschlossen, die Seiten zu wechseln, bei kommerziellen Modezeitschriften anzuheuern. So beeindruckt sich diese freilich von seinen Sonderwegen gezeigt hatten, was sie von ihm wollten, war Mainstream: schöne Frauen, viel Licht, viel Farbe. Klare Vorgaben bekam der Fotograf fortan. Wo sich eine Spielwiese aufgetan hatte, war nur noch ein schmaler Weg.

Irgendwann wollte Seiden Schwan nicht mehr. Weitermachen wie bisher schien ihm charakterliche Verbiegung. Zurück zu den Experimentierkünstlern und ihren Magazinen, das ging allerdings nicht mehr. Sie hatten die Hinwendung zu Mainstream und Kommerz als Verrat empfunden, ließen Seiden Schwan das spüren. Es folgten ein Sabbatjahr und der Entschluss, sich an einem Mittelweg zu versuchen.

Für Modehäuser will er seitdem fotografieren, die ihm Spielraum lassen. La Prestic Ouiston gehört offenbar dazu. Seiden Schwan kehrt zu Stativ und Laptop zurück. Die Stylistin Castelbou klickt sich dort durch die letzte Bilderserie. „Pas mal“, sagt sie, nicht schlecht. Aus ihrem Munde klingt das wie höchstes Lob.