Recherche, eine gewisse Neugier, Menschenfreundlichkeit, ein paar Spiele und eine Prise Witz: Der BR-Moderator Thorsten Otto hat gerade den Deutschen Radiopreis erhalten und kommt jetzt ins Fernsehen.

München - In unseren komplizierten Zeiten sind manchmal die einfachsten Konzepte die besten – Radiosendungen etwa, bei denen die Zuhörer nicht alle zweieinhalb Minuten geistig weitergetrieben werden, sondern bei denen sie über einen längeren Zeitraum bei einer Sache, einer Person bleiben können. Man vermutet solche Produktionen vor allem bei den gediegenen Programmen. Dass die Klientel des eher auf überdreht gebürsteten Senders Bayern 3 ein Bedürfnis nach Ruheinseln hat, beweist der anhaltende Erfolg der Talksendung „Mensch, Otto!“/„Mensch, Theile“, die dort seit 2008 abwechselnd von den beiden Moderatoren gestaltet wird.

 

Recherche, eine gewisse Neugier, Menschenfreundlichkeit, ein paar Spiele und eine Prise Witz – mehr braucht es offensichtlich kaum, um eine große Zuhörerschaft an das Format zu binden. Oder doch: es braucht eine Persönlichkeit, die in der Lage ist, sich so auf ihr Gegenüber einzulassen, dass Nähe entsteht, aber keine Distanzlosigkeit. Brigitte Theile beherrscht diese Kunst, Thorsten Otto beherrscht sie noch besser. Letzten Monat wurde der Fünfzigjährige mit dem Deutschen Radiopreis in der Kategorie „Bestes Interview“ ausgezeichnet, für ein einfühlsames, nachdenkliches, stellenweise lustiges Gespräch, das er mit der zweimal an Leukämie erkrankten „Krankentrösterin“ Gaby Sonnenberg geführt hatte.

Nach dem Abitur studiert er zunächst Jura

War das nicht schwierig, sich mit der Autorin über ihre Rückfälle, ihre Kinder und ihr Buch zu unterhalten, das anderen in ähnlicher Situation helfen soll? „Ich war früher selbst eher hypochondrisch und hätte nie über Krankheit gesprochen“, sagt Thorsten Otto. „Inzwischen habe ich aber gemerkt, man kann über jedes Thema sprechen, es kommt darauf an, wie man darüber redet.“ Er stelle einfach gerne Fragen, „ich interessiere mich für Menschen, was sie antreibt, ich kann gar nicht anders. Schon als kleiner Junge habe ich mir auf der Straße immer überlegt, was macht der Mann oder die Frau, die dir entgegenkommen, wohl so im Leben?“

Nach dem Abitur hat Thorsten Otto zunächst Jura studiert. Er merkte schnell, dass seine Träume anders aussahen, „das, was ich mir hätte vorstellen können, also flammende Plädoyers halten, wie man das aus amerikanischen Filmen kennt, gibt es in Deutschland ja nicht“. Er absolvierte noch das erste Examen und machte dann, da er Leute vom Funk kannte, bei Radio Gong in Nürnberg ein Volontariat. Bei seiner nächsten Station hatte er beim damaligen SWF das Glück, dass „der legendäre Chef Peter Stockinger irgendwas in mir gesehen hat und mich nach einem halben Jahr ans Mikrofon ließ“. Beim BR merkte er dann mit den Jahren, „dass mir die Gespräche mit Menschen am meisten Spaß machen“. Sein Vorschlag, „eine Porträtsendung in einer Massenwelle, im Popradio“ zu machen, kam zunächst zwar nicht gut an, setzte sich irgendwann aber durch.

Schwere Themen mit einer Leichtigkeit angehen

Seit sechs Jahren plaudern Thorsten Otto und Brigitte Theile mit Prominenten und Normalbürgern, mit Abenteurern und Idealisten, mit Medienmenschen und Träumern. Oft seien Menschen mit Schicksalen bei Otto eingeladen, bei denen er sich denke: „Wie schafft jemand das, nicht nur zu überleben, sondern auch noch eine positive Einstellung und Humor zu bewahren?“ Viele Begegnungen hätten ihn deshalb nachdenklich gemacht, „demütig ist ein großes Wort, aber ich weiß es viel mehr zu schätzen, wie gut es mir geht“.

Schwere Themen mit einer gewissen Leichtigkeit anzugehen, daran sei ihm gelegen. „Ich möchte die Zuhörer nicht hoffnungslos hinterlassen.“ Allerdings betreibe er nicht Lebenshilfe, sondern Unterhaltung. „Wenn dann Zuhörer trotzdem schreiben, und das tun sehr viele, das habe ich so noch nie gesehen, das hat mich unterstützt, dann haben wir wirklich was erreicht.“ Ändert sich nun etwas, wenn „Mensch, Otto!“ künftig einmal monatlich im Fernsehen ausgestrahlt wird? „Es ist eine tolle, neue Herausforderung“, sagt der Medienprofi, „ich habe bei der Aufzeichnung mit Christian Ulmen schnell vergessen, dass Kameras dabei sind, und ihm ging es wohl ähnlich.“ Auf der Internetseite des BR wirbt Otto für sich mit den Worten, dass eine Radiostimme mit einem Zeitungsgesicht jetzt Fernsehen mache. So viel Uneitelkeit dürfte auch auf dem Bildschirm ziemlich sympathisch rüberkommen.

Karrieresprung

Moderator Thorsten Otto, Jahrgang 1964, moderiert im BR die Sendung „Mensch, Otto!“, die mehrmals pro Woche von 19 Uhr bis 19.30 Uhr auf Bayern 3 läuft, und am Sonntagmorgen die Sendung „Stars & Hits“, die künftig „Mensch, Otto! Stars am Sonntag“ heißt. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Oberbayern.

Sendungen Viele „Mensch, Otto!“-Hörfunksendungen können als Podcast unter www.br.de abgerufen werden. Von Sonntag an ist alle vier Wochen samstags um 23.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen oder jederzeit als Video-Podcast eine Folge zu sehen, die in einem im Stil der sechziger Jahre dekorierten Studio aufgenommen wird. Als Erstes wird ein Gespräch mit dem Schauspieler, Moderator und TV-Produzenten Christian Ulmen gezeigt.