Bereits am 9. Mai soll es nach den Plänen der Deutschen Fußball-Liga in den Bundesligen wieder losgehen. Noch sind indes viele Fragen offen. Eine Analyse.

Stuttgart - Die ersehnte Rettung scheint in Sicht. Spitzenpolitiker haben dem Profifußball am Montagabend in Aussicht gestellt, bald wieder spielen zu dürfen. Geisterspiele will zwar eigentlich niemand sehen, schon gar nicht die Fans – doch sind sie die einzige Möglichkeit, die letzte Rate der Fernsehgelder und damit die Existenzgrundlage der Clubs zu retten.

 

Bereits am 9. Mai soll es nach den Plänen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) wieder losgehen, doch gibt es keineswegs nur Befürworter eines Neustarts. Die einen kritisieren, der Fußball dürfe während der Corona-Pandemie keine Sonderrechte bekommen, andere sehen keinen Sinn darin, mit aller Gewalt Geisterspiele auszutragen, um die Saison zum Abschluss zu bringen. Wir analysieren fünf offenen Fragen.

Wie ist der Stand der Dinge?

Für einige Clubs im deutschen Profifußball geht es aufgrund noch immer ausstehender Fernsehgelder weiterhin um die Existenz. Deshalb müssen die Vereinschefs der 36 Vereine bei ihrer Videositzung an diesem Donnerstag darlegen, wie sie sich einen Neustart im Mai genau vorstellen. Nur ein schlüssiges Konzept wird die Politik endgültig dazu bewegen, den Weg für Geisterspiele frei zu machen. Bei der nächsten Konferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Landeschefs am 30. April wird wohl darüber entschieden, ob, wie und wann der Ball wieder rollen kann in der ersten und zweiten Liga.

Das Bundesinnenministerium ist aktuell strikt dagegen, jetzt schon einen konkreten Termin für die Wiederaufnahme der Spiele zu nennen. In einem Schreiben heißt es, dass die von Angela Merkel mit den Regierungschefs der Länder zunächst bis zum 3. Mai vereinbarten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus „uneingeschränkt“ auch für den Sport gelten.

Schon jetzt gelobt die Bundesliga Besserung für die Zukunft. „Es steht außer Frage, dass künftig Nachhaltigkeit, Stabilität und Bodenständigkeit zu den entscheidenden Werten gehören müssen. Diese Werte gilt es nach Überwindung der akuten Krise in konkrete Maßnahmen umzusetzen“, so heißt es in einer Stellungnahme, die das DFL-Präsidium am Dienstag veröffentlichte.

Hat der Fußball eine Sonderrolle?

Fußballspiele in Zeiten, in denen der Rest der Gesellschaft Mundschutz tragen oder zu Hause bleiben soll? Die Bundesliga versucht zwar, den Eindruck zu vermeiden, sie genieße eine Sonderbehandlung – doch weiß auch DFL-Chef Christian Seifert, dass die Wiederaufnahme des Spielbetriebs für viele schwer verständlich wäre. Er versichert daher: „Es wird niemals so sein, dass der Fußball einer systemrelevanten Person einen Test wegnimmt. Wir erwarten keine Sonderrechte.“

Seit Wochen wird dieses Thema sehr kontrovers diskutiert. Skeptisch betrachtet das Robert-Koch-Institut die geplanten regelmäßigen Corona-Tests für die Spieler. „Richtig und wichtig“ findet es hingegen der Fußballforscher Johannes Heil von der Macromedia-Hochschule Stuttgart, dass bald wieder gespielt werden soll: „Aufgrund seiner Popularität hat der Fußball ohnehin eine Sonderrolle – diese gebührt ihm auch in der momentanen Situation.“ Spiele inmitten der Krise könnten „in der Gesellschaft stabilisierend wirken, weil sie Millionen von Zuschauern erreichen und für neuen Gesprächsstoff sorgen“. Zwar hat Wissenschaftler Heil Verständnis für die Proteste anderer Sportarten, für die die derzeitige Situation „eine Katastrophe“ sei. Doch werde deren Situation „weder besser noch schlechter, wenn Fußball gespielt wird“.

Wie bereiten sich die Clubs vor?

Im Gegensatz zu anderen Clubvertretern, die bereits euphorisch den Durchbruch feiern, hält sich der VfB Stuttgart mit öffentlichen Kommentaren zu den neuen Plänen zurück. Man wolle erst die wegweisende DFL-Mitgliederversammlung an diesem Donnerstag abwarten, heißt es aus Bad Cannstatt. Es gebe noch zu viele offene Fragen – nicht zuletzt jene, wie die Mannschaften bis zum 9. Mai wieder in den Wettkampfmodus kommen wollen.

Am 14. März absolvierte der VfB sein letztes Mannschaftstraining, seit 6. April darf das Team von Pellegrino Matarazzo zumindest in Kleingruppen üben. Das mag reichen, um körperlich einigermaßen fit zu bleiben. Doch erklärte VfB-Sportdirektor Sven Mislintat schon vor längerer Zeit, dass die Clubs mindestens zwei Wochen Vorlauf bräuchten, um wieder an mannschaftstaktischen Dingen arbeiten zu können. Zumindest in Baden-Württemberg ist vorläufig völlig unklar, wann wieder ein geregeltes Teamtraining erlaubt ist. Bundesweite Lösungen werden notwendig sein, da ansonsten die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung droht.

Was denken die Fans?

Von den Clubchefs, den Vertretern der DFL und von so manchem Politiker wird gerne ein Gedanke vermittelt: Wir tun das ja alles auch für die Fans, die sich nichts sehnlicher wünschen, als dass endlich wieder Fußballspiele stattfinden. Allein: Die Verantwortlichen haben ihre Rechnung ohne die aktive Fanszene gemacht. Die einflussreiche Organisation Unsere Kurve hat ihre Unterstützung des anvisierten Neustarts nun an Bedingungen geknüpft und Profitgier, Korruption sowie Misswirtschaft angeprangert. Der Vorstoß torpediert die Bemühungen der DFL, die mit allen Mitteln eine Stimmung „Pro Geisterspiele“ erzeugen möchte.

„Vereine und Verbände sind herausgefordert, jetzt verbindliche Schritte zur Gesundung des Profifußballs einzuleiten und zu gehen“, hieß es in einer Stellungnahme der als gemäßigt geltenden Fangruppierung: „Anders ist eine Akzeptanz für Maßnahmen zur Beendigung der laufenden Saison aus unserer Sicht nicht zu erreichen. Dies setzt voraus, dass der Profifußball anerkennt, dass er nicht erst seit der Corona-Krise krank ist.“ Weiter heißt es: „Im deutschen Ligafußball sind nicht wenige Vereine bereits durch finanziellen Hochmut und Misswirtschaft in eine kritische Schieflage geraten. Einige Vereine haben sich selbst kaputtgewirtschaftet.“

Wie läuft die PR-Maschinerie?

Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass die Bundesliga-Strategen mit dem in ihren Augen wichtigsten Verlag den Doppelpass spielten. Der Springer-Konzern bot mit seinem Videoformat namens „Bild live“ die Plattform am Montagabend – und die große Livestreamshow verfehlte ihre Wirkung nicht. Die orchestrierte Abfolge aus zuversichtlichen Spitzenpolitikern, Topfunktionären und Ligachef Christian Seifert sollte dem angeblich so unter Entzugserscheinungen leidenden Fußballvolk ein wohliges Gefühl geben.

Die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Bayern, Armin Laschet und Markus Söder, platzierten erst ihre Botschaften, dann gab es von den Vereinschefs Karl-Heinz Rummenigge (FC Bayern) und Hans-Joachim Watzke (BVB) sogar erste Kampfansagen. Dass der Bezahlsender Sky, der die Bundesligarechte hat, ein paar Stunden nach der Videoshow mit einer ganzseitigen Jubelanzeige in „Bild“ reagierte („Jaaaaaaaaaaaaaaa“) und darin betonte, dass die Bundesliga bald wieder da sein werde, passte ins Bild. Und kaum ein Beobachter mochte da an einen Zufall glauben.