Die Bundesregierung will im Wahljahr keine weitere Unruhe beim größten Staatskonzern und hat deshalb mit Richard Lutz einen Kompromiss auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden, meint Thomas Wüpper.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Kaum jemand hat Richard Lutz eine Chance eingeräumt, Bahn-Chef zu werden. Der bisherige Finanzvorstand ist zwar ein exzellenter Controller, der die riesigen Schuldenberge und finanziellen Abgründe des größten Staatskonzerns seit mehr als zwei Jahrzehnten bestens kennt. Doch dem Pfälzer fehlt der direkte Draht zur Basis und zum komplexen operativen Rad-Schiene-Geschäft, politisch gilt er zudem als wenig vernetzt.

 

Die SPD und ihr Kanzlerkandidat Schulz wollten den Merkel-Vertrauten Pofalla verhindern

Ein Strahlemann und Schönredner wie Vorgänger Grube ist der introvertierte Lutz nicht. Eine solide Führung des Konzerns und seiner 300 000 Mitarbeiter kann man dem Manager aber zutrauen. So wird die Bundesregierung gedacht haben, die dringend eine neue Führung für ihren größten Staatskonzern braucht. Lutz ist der Kompromiss auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Im Bundestagswahljahr soll keine weitere Unruhe bei der Bahn noch mehr Schatten auf die verkorkste Verkehrspolitik der Koalition werfen. Die SPD und ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz wollten den Merkel-Vertrauten Pofalla als Bahn-Chef verhindern. Die Kanzlerin wiederum wollte keinen Koalitionskrach wegen ihres Ex-Amtschefs riskieren, der nach Geheimdienstaffären abtrat und auf einen hoch dotierten Posten beim Bahnkonzern wechseln durfte. Ein wirklicher Neuanfang ist Lutz’ Berufung nicht, eher eine Notlösung.