Das Publizisten-Duo Stefan Aust und Dirks Laabs hält den Verfassungsschützern vor, über die rechte Szene mehr gewusst zu haben, als sie nach den NSU-Morden zugaben. So dämlich, wie sie sich gestellt hätten, seien die Geheimen gar nicht.

Stuttgart - Der Schlüssel liegt bei den V-Leuten. Diesen Fingerzeig hat der frühere „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust dem Stuttgarter Untersuchungsausschuss gegeben. Der als Sachverständiger vor den Ausschuss geladene Publizist riet den Abgeordneten, die sich mit den Bezügen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) nach Baden-Württemberg beschäftigen, all jene Berichte auszuwerten, welche die Führungsbeamten des Verfassungsschutzes jeweils nach den Treffen mit ihren Informanten aus der rechtsextremistischen Szene angefertigt hatten. Dabei sollten sie die ausführlichen Treffberichten durchgehen, die auch scheinbare Nebensächlichkeiten enthalten, und nicht nur die so genannten Deckblattmeldungen anschauen, in denen lediglich die wesentlichen Hinweise des Informanten zusammengefasst sind. Vor allem sollten sie sich bei ihrem Begehren auf Akteneinsicht von den Behörden nicht abweisen lassen.

 

Aust hatte zusammen mit seinem Ko-Autor Dirk Laabs vor knapp einem Jahr eine fast neunhundert Seiten starke, informative und lesenswerte Monografie über den NSU vorgelegt: „Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU“ basiert auf umfangreichen Recherchen und in hohem Maße auch auf die Arbeit der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, die sich seit dem Bekanntwerden der wahren Urheber der Ceska-Mordserie und des Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter mit dem Rechtsterrorismus in Deutschland beschäftigt hatten. Neue Erkenntnisse hatten Aust und Laabs nicht zu bieten; andernfalls wären diese – wie ein Beobachter trocken anmerkte – auch eher in einer weiteren Veröffentlichung dem Publikum zugeeignet worden und nicht im Rahmen eines Auftritts im baden-württembergischen Landtag.

Aust: „Vorgetäuschte Dämlichkeit der Behörden“

Mit Verve thematisierten Aust wie auch Laabs die Rolle der Verfassungsschutzbehörden. Diese nämlich, so die These der beiden, wussten mehr, als sie hinterher zugaben. In den Worten Austs: „Die Verfassungsschutzbehörden wollen nicht, dass mehr herauskommt, weil sie zu viel wussten.“ Hinter dieser Aussage steckt nicht der Glaube an die große Weltverschwörung. Aust und Laabs neigen vielmehr zu der Ansicht, dass die Verfassungsschützer, insbesondere das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), dank zahlreicher V-Leute im Prinzip sehr gut über die rechtsextremistische Szene in Deutschland im Bilde waren, im konkreten Fall des NSU aber aus der Spur kamen – und deshalb im Nachhinein den Vorwurf des Versagens mit dem gespieltem Nichtwissen abwehrten. Laabs sagte vor dem Untersuchungsausschuss, die Verfassungsschützer arbeiteten durchaus professionell. Ihr etwa vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zu Schau gestelltes Nichtwissen hält er für Tarnung. Aust sagte: „Die einzige Verschwörung, die es gibt, ist die vorgetäuschte Dämlichkeit der Behörden.“

Dazu passten die vielen geschredderten Akten, die im einen oder anderen Fall dann doch wieder im Keller gefunden wurden – wenn es den Behörden gerade passte. Wo aber tatsächlich geschreddert wurde, geschah dies nach Ansicht Austs in voller Absicht. „Es wurde erkennbar Wissen unterdrückt.“ Nach früheren Angaben des baden-württembergischen Innenministeriums wurden im Südesten keine Akten vernichtet. Laabs sagte im Ausschuss, er habe zwar davon gehört, dass auch in Baden-Württemberg vernichtet worden sein sollen, er könne dies aber nicht belegen. Im Mordfall Heilbronn halten die beiden Journalisten die These des Generalbundesanwalts, die Polizistin Michèle Kieswetter sei ein Zufallsopfer gewesen, für fraglich. Nach offizieller Lesart starb Kieswetter als Repräsentantin des von den Rechtsextremisten gehassten Staats. Aust legte dem Untersuchungsausschuss dagegen nahe, etwaige Kennverhältnisse zwischen Kiesewetter und der rechtsextremistischen Szene ihrer Heimat Thüringen zu untersuchen.